Blickpunkt DRK-Ortsvereine: Zu wenig Nachwuchs

Sie retten Menschen und helfen in Notlagen: die Ehrenamtlichen des Deutschen Roten Kreuzes.
Sie retten Menschen und helfen in Notlagen: die Ehrenamtlichen des Deutschen Roten Kreuzes.

Wie lange können wir unseren Aufgaben noch nachkommen? Eine Frage, die sich angesichts des Nachwuchsmangels bei einigen Ortsvereinen des Deutschen Roten Kreuzes stellt. Worauf verzichtet werden muss und warum ein Verein jetzt sogar bei Tiktok vertreten ist.

„Wir kommen an unsere Grenzen“, sagt Jürgen Vogt, Vorsitzender des DRK-Ortsvereins Haßloch-Meckenheim. Das Ziel, soziale Angebote zu schaffen und zu erhalten, könnten sie „gerade noch so“ erfüllen. Woran es dem Ortsverein jedoch fehlt, sind freiwillige Hände, die mit anpacken. „Das wird nicht mehr lange gut gehen. Ohne Nachwuchs wird es bald einen Generationenbruch geben“, prognostiziert Vogt. Für ein eigenes Jugendrotkreuz fehlten dem Ortsverein schon jetzt die Mitglieder. „Wir bräuchten dringend noch junge Menschen, die sich in der Jugendsozialarbeit und der Wohlfahrt engagieren.“

Beim Spielenachmittag sei die Personaldecke aktuell so dünn gestrickt, dass, wenn jemand ausfällt, die komplette Veranstaltung abgesagt werden müsse. Die Blutspendeaktionen vier Mal im Jahr könnten aktuell nur aufgrund der tatkräftigen Unterstützung durch Geflüchtete stattfinden. Ohne die helfenden Hände sei das nicht stemmbar, ist sich Vogt sicher. Etwas positiver blickt er auf die Anzahl der Spender, die mit durchschnittlich 200 Menschen „zufriedenstellend“ sei.

Mitgliederzuwachs durch ambulanten Pflegedienst

Die Unterstützung aus der Bevölkerung führt er auch auf den „hervorragenden Ruf der Ehrenamtlichen“ zurück. Knapp 40 Freiwillige sind in Haßloch und Meckenheim aktiv, weitere 1400 unterstützen als passive Fördermitglieder die Arbeit des DRK-Ortsvereins. „Wir gewinnen viele davon durch unseren mobilen ambulanten Pflegedienst dazu“, erklärt Vogt. Denn DRK-Mitglieder müssen für die Leistung drei Euro weniger pro Stunde bezahlen. Den Bedarf an aktiven Ehrenamtlichen können die meist pflegebedürftigen Mitglieder nicht decken.

Zumindest finanziell entschärfe das die Lage jedoch so weit, dass man es aktuell noch auf eine „schwarze Null“ schaffe. Auch das wird sich ändern, sagt der Präsident voraus. Denn durch den Betrieb eines eigenen Gebäudes fallen hohe Kosten an. „Vor Kurzem ist uns die Heizungsanlage kaputt gegangen. Da mussten wir auf einmal 20.000 Euro in die Hand nehmen.“

Folgen von Corona fürs Vereinsleben

Dem Ortsverein Lambrecht geht es finanziell gut, sagt Christian Astor. „Wir haben die letzten Jahre gut gewirtschaftet“, ergänzt der Vereinsvorsitzende. Unterstützt wird der Verein auch durch die Beiträge ihrer Fördermitglieder, deren Anzahl er auf „ein paar hundert“ schätzt. Große Sorgen bereite ihm eher die Nachwuchsfrage. Denn auch die 15 aktiven Ehrenamtlichen würden die Arbeit nicht ewig machen können, gibt er zu bedenken. „Wir versuchen bereits seit Jahren, neue Mitglieder zu finden.“ Die Pandemie habe die Situation zusätzlich verschärft – auch das Jugendrotkreuz sei durch Corona weggebrochen. Grund dafür: Der Verein könne keinen neuen Jugendleiter finden. „Die Kinder würden wir auf jeden Fall zusammenkriegen“, ist sich Astor sicher. Ohne Leitung nütze jedoch auch das nichts.

„Durch Corona war von heute auf morgen das Vereinsleben kaputt, da haben wir viele Menschen verloren, die sich anderweitige Beschäftigungen gesucht haben“, resümiert Astor, der seit sechs Jahren Vorsitzender und seit über 30 Jahren Mitglied im Verein ist. Um aktiv gegenzusteuern und neue Mitglieder zu werben, biete der Ortsverein regelmäßig kostenfreie Kurse an. „Die finden auch Anklang, aber meistens sind es die gleichen Leute und es kommen keine neuen dazu. Wir haben einen tollen Fuhrpark und ein eigenes Vereinsheim, aber selbst das scheint nicht zu reichen“, sagt Astor. Zumindest die Anzahl der Blutspender sei mit 60 pro Termin stabil.

Mitgliederwerbung über soziale Medien

Beim Ortsverein Deidesheim freut man sich über steigende Blutspenderzahlen. Zwischen 130 und 150 Menschen kommen zu den Terminen, darunter auch viele Neuspender, berichtet Bereitschaftsleiter Clemens Schmidt. Weniger erfreulich sei der Blick auf die Mitgliederzahl. Die habe sich innerhalb der letzten Jahre von über 1000 auf 409 Fördermitglieder mehr als halbiert. Das Problem: Es kommen keine neuen Mitglieder nach. Dass der Verein bereits seit ein paar Jahren kein eigenes Jugendrotkreuz mehr hat, bedauert Schmidt sehr. Er selbst hat das Jugendrotkreuz früher geleitet und kennt die Probleme mit der Gewinnung von Nachwuchs: „Für Ehrenamtliche, die unter der Woche arbeiten gehen, ist es schwierig, aktiv im Schulunterricht Werbung zu machen. Außerdem gibt es in unserem Einzugsgebiet auch nur eine begrenzte Anzahl an Schulen.“ Zusätzliche Konkurrenz gebe es durch Sportvereine, die die Kinder bereits im Grundschulalter ansprechen. Beim Jugendrotkreuz beträgt das Eintrittsalter sechs Jahre.

Um den Nachwuchs für das Ehrenamt zu begeistern, geht der Ortsverein auch neue Wege. „Wir investieren viel Zeit in Instagram und Tiktok, um junge Menschen anzusprechen. Dort folgen uns mittlerweile auch viele Menschen“, erklärt Schmidt, der seit 2006 beim DRK aktiv ist. Platz für Zuwachs gebe es im „großen und modernen Komplex“ genug, betont der Bereitschaftsleiter, und auch sonst biete der Verein seinen Mitgliedern neben einer „freundschaftlichen Atmosphäre“ viele Annehmlichkeiten wie gemeinsame Grillfeste, Ausflüge und eine Weihnachtsfeier. Um die 25 aktiven Ehrenamtlichen zu entlasten, übernimmt der Landesverband mittlerweile die Leerung der vier Altkleidercontainer im Einzugsgebiet. Auch bei akutem Personalmangel unterstützt eine Gruppe der Kreisbereitschaftsleitung in Bad Dürkheim. Dass zusätzliches Personal angefordert werden musste, sei allein in diesem Jahr schon drei Mal vorgekommen, erklärt Schmidt.

Stabile Lage in Maikammer

„Bei uns ist alles im grünen Bereich“, fasst Vorsitzender Markus Gutting die Lage des DRK-Ortsvereins Maikammer zusammen. Bei den 25 aktiven Ehrenamtlichen hielten sich die Abgänge und Neuzugänge seit Jahren die Waage. Neben einem festen Kern, der schon seit Jahrzehnten dabei ist, kämen auch immer wieder neue Mitglieder dazu. Ähnlich verhalte es sich auch mit den 15 bis 20 jungen Menschen, die im Jugendrotkreuz aktiv sind. „Wir haben sehr engagierte Leute, von denen ein Großteil auch noch in anderen Vereinen mitwirkt. Das ist auf dem Dorf sicherlich einfacher als in der Stadt“, erklärt Gutting, der neben Maikammer auch die Ortschaften Kirrweiler und St. Martin betreut.

Stabil sei mit durchschnittlich 200 Menschen auch die Anzahl der Blutspender, die fünf Mal im Jahr zu den Terminen erscheinen. Haupteinnahmequelle des Vereins ist der Weiterverkauf der Kleidung, die in den Altkleidercontainern gespendet und von den Ehrenamtlichen eingesammelt wird. Dazu kommen die Beiträge der 100 Fördermitglieder. „Unser Verein steht unterm Strich auch dank der vielen Dienststunden, die unsere Ehrenamtlichen leisten, gut da“, sagt Gutting.

Problem: Vereinbarkeit von Ehrenamt und Privatleben

Dass es für viele Ortsvereine immer schwieriger wird, ehrenamtliches Personal zu finden, ist laut Ralf Tebrün ein Problem, mit dem sich viele Wohlfahrtsvereine konfrontiert sehen. Auch einen möglichen Grund dafür glaubt der Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands in Bad Dürkheim zu kennen: die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Privatleben. Beruf, Familie und Vereinsarbeit zeitlich zu koordinieren sei eine Herausforderung, sagt Tebrün. Mit Blick auf die verschiedenen Ortsvereine, die zum Kreisverband Bad Dürkheim gehören, gebe es große Unterschiede: „Das steht und fällt mit den Leuten vor Ort. Es gibt Vereine, die sehr aktiv sind und andere, die händeringend nach Ehrenamtlichen suchen. “

Beim Ehrenamtstag in Haßloch war auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer vor Ort.
Beim Ehrenamtstag in Haßloch war auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer vor Ort.

Beim Thema Fördermitglieder jedoch folge der Kreis Bad Dürkheim dem Bundestrend: „Da fallen viele alte Mitglieder weg und es kommen wenig neue nach. Die Bereitschaft zur Fördermitgliedschaft hat bei vielen Menschen einfach abgenommen.“ Das Problem mit dem Nachwuchs treibt auch den Geschäftsführer um: „Wir wollen das Thema ganz bewusst angehen. Beim Ehrenamtstag in Haßloch letztes Jahr waren wir breit aufgestellt und haben versucht, den Nachwuchs anzusprechen. Das war ein großer Erfolg“, erinnert sich Tebrün. Denn die beste Werbung für ein Ehrenamt seien die Ehrenamtlichen selbst.

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