Neustadt Die Anfänge des Christentums

Neustadt. Islamistischer Terror, Bürgerkriege, Militärputsche und unsägliches Leid – Wissenschaftler, die sich mit dem Vorderen Orient und seiner Geschichte beschäftigen, haben es derzeit schwer mit Forschungen vor Ort. Das wirkt sich auch auf die Reihe „Alte Kulturen im Umfeld der Bibel“ im Neustadter Herz-Jesu-Kloster aus, wo in diesem Jahr die Türkei, das einzige noch einigermaßen stabile Land in der Region, und das frühe Christentum im Mittelpunkt stehen.

Beim ersten Wochenendseminar des Jahres am 24./25. Januar rückt die Reihe dabei geografisch so nahe an Mitteleuropa heran wie selten in ihrer Geschichte: Thema ist die norditalienische Stadt Aquileia, heute ein Flecken mit etwas mehr als 3000 Einwohnern, in römischer Zeit aber eine wichtige Handelsmetropole und als Bischofssitz seit dem 4. Jahrhundert auch eine der bedeutendsten Stätten der frühen Christen in Italien. Von dieser Bedeutung zeugt heute vor allem noch das riesige christliche Fußbodenmosaik vom Anfang des 4. Jahrhunderts, das sich unter der im Mittelalter darüber neu erbauten Basilika erhalten hat. Diese Kirche im romanischen Stil, errichtet im 11. Jahrhundert nach dem Vorbild der Michaeliskirche in Hildesheim, ist heute das wichtigste architektonische Zeugnis der großen Zeit Aquileias, das als Patriarchensitz bis weit in den Alpenraum hinein Einfluss ausübte. Dieser Glanz begann um diese Zeit allerdings schon zu verblassen: Venedig sollte das Erbe antreten. Das Seminar behandelt rund 1000 Jahre Geschichte - von der römischen Gründung über die frühchristliche Epoche bis zu Langobarden, Karolingern und Saliern. Referent ist der Archäologe und Kunsthistoriker Dr. Andreas Thiel aus Bad Soden, der in Neustadt bereits ähnlich konzipierte Überblicksseminare zur Kunst und Geschichte Siziliens, Neapels und der byzantinischen Epoche Griechenlands gehalten hat. Ebenfalls in die frühe Zeit des Christentums führt das Seminar „Frühes Christentum und römischer Staat“, das im 18./19. April stattfindet und sich vor allem mit Texten aus der Epoche, in der sich das Christentum im römischen Reich von einem verfolgten Kult zur Staatsreligion wandelte, auseinandersetzen will. Referent ist hier der Archäologe und Althistoriker Prof. Dr. Engelbert Winter von der auf die Religions- und Kulturgeschichte des antiken Kleinasiens spezialisierten „Forschungsstelle Asia Minor“ der Universität Münster, und dementsprechend steht auch das Gebiet der heutigen Türkei im Zentrum der Betrachtung. Winter war im Frühjahr 2014 bei einem Seminar zum kleinasiatischen Reich von Kommagene erstmals Gastreferent der Alte-Kulturen-Reihe. In die gleiche Region führt auch das dritte Seminar der Reihe, bei dem am 5./6. September die in der heutigen Südwesttürkei gelegene antike Kulturlandschaft Karien im Mittelpunkt steht, eine typische Mischregion, in der die namensgebenden Karer, wohl ein mit den Hethitern verwandtes Volk, kulturell sehr stark von den eingewanderten Griechen beeinflusst wurden. Das Seminar, das die Geschichte der Region bis in die osmanische Zeit verfolgt, leiten die beiden Byzantinisten Prof. Dr. Arne Effenberger, ehemaliger Direktor des Bodemuseums in Berlin, und dessen Frau Dr. Neslihan Asutay-Effenberger, Privatdozentin in Bonn, die schon zweimal in Neustadt zu Gast waren. In die Ost-Türkei, ins Grenzgebiet zu Armenien, führt dann das letzte Seminar der Reihe am 14./15. November: Thema ist das eisenzeitliche Königreich Urartu, das vom 9. bis 6. vorchristlichen Jahrhundert eine wichtige regionale Größe im Spiel der vorderasiatischen Mächte darstellte und kulturell vor allem von Assyrien her beeinflusst worden scheint. Sein Zentrum war der Van-See. Referent ist mit dem aus Deidesheim stammenden früheren Bamberger Moraltheologen Volker Eid ein ausgewiesener Kenner der Region, der dem Kloster schon seit vielen Jahren als Referent und Reiseleiter verbunden ist. Das Urartäische Reich und die Region um den Van-See sind am 15. November auch das Thema eines Kulturfilmabends, der wie immer auf dem Filmmaterial basiert, das Pater Hans-Ulrich Vivell, der Leiter der Alte-Kulturen-Reihe im Kloster, auf seinen Studienreisen angefertigt hat. Weitere Angebote dieser Dokumentarfilmreihe sind „Mittelbyzantinische Kirchen in Südgriechenland“ am 25. Januar, „Das frühe Christentum und Mönchtum in Mittelanatolien“ am 19. April und „Christliche Spuren in Lykien“ am 6. September. Die Reihe der von Pater Hans-Ulrich Vivell geleiteten Bibelseminare startet am 14./15. Februar mit einer Veranstaltung über den alttestamentarischen Propheten Habakuk, der wohl gegen Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. gelebt hat und vor allem durch seine Kritik an der Unterdrückung der armen Landbevölkerung durch die reiche Oberschicht Judäas und Jerusalems bekannt ist. Die erotische Dimension der Bibel kommt am 20./21. Juni beim Seminar über das „Hohelied“ in den Blick, einer Sammlung von teilweise sehr direkten erotischen Liebesliedern, die Teil des Alten Testaments ist. In die Zeit des Neuen Testaments führt dann das dritte Bibelseminar am 10./11. Oktober: Dabei geht es um „Die zwölf Männer um Jesus“, also die von Jesus direkt als „Gesandte“ mit der Verbreitung seiner Lehre beauftragten Apostel.

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