Neustadt Der Herr Bundespräsident kann kommen

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Endlich Frühling in der Pfalz. Es riecht nach Gülle, den Adiletten wachsen Tennissocken, und mein Nachbar fragt: Kommst du heute Abend zum Grillen in den Garten? Ich frage: Ist das überdacht? Er: Nee, eher spontan. Dabei wollte ich ihm nur eine Steilvorlage liefern. Ich weiß doch, wie stolz er auf seine Neuerrungenschaft ist: Die Klangmarkise Concertronic, mit der man über eine intuitive Bedienoberfläche beliebige Beschattungs- und Beschallungsszenarien programmieren kann. Sein ganzer Garten ist ein Mix aus Obis Außenbereich und einer IT-Abteilung. Alles automatisiert und durchoptimiert. Die Kreisregner für den Rasen mit 360-Grad-Radius und einer Wurfweite von 15 Metern, die Polystone-Buddha-Figur mit solarbetriebenem Wasserspiel und LED-Farbwechsler, der Windwächter Ventero mit Time-Control für die Jalousien und natürlich der Rasenmäher-Roboter, der pünktlich um vier aus seiner Garage kommt und seinen mühevollen Weg mit exakt 26 Zentimetern Schnittbreite und 4 Zentimetern Schnitthöhe, wie aus der Vereinssatzung deutscher Gartenkolonien bekannt, aufnimmt. Bei meinem Nachbarn sieht der Garten so aus, als ob der Bundespräsident gleich käme. Mich würde diese ganze Software nervös machen. Alle Informationen gehen doch ins Internet! Mittlerweile weiß man doch: Immer wenn jemand bei seinem PC auf „eigene Dateien“ drückt, fällt irgendwo ein NSA-Mitarbeiter lachend vom Stuhl. Außerdem ist der ganze Technikfirlefanz nicht alltagstauglich genug. Neulich konnte ein Digital-Timer für seine schwerkraftbetriebene Teich-Filteranlage nicht zugestellt werden, weil seine Video-Klingelanlage mit Pass-Control-Türöffner ausgefallen war. Und was hatte er darauf gewartet! Also, wenn meine Klingel mal ausfällt, habe ich einfach einen Zettel an der Tür kleben: Klingel kaputt – bitte laut Ding-Dong rufen. Trotz Heuschnupfen habe ich mich gestern, nach getaner Arbeit noch stundenlang in meinem Garten umgesehen. Und während ich mein tausendstes Tempo druckbetankte, entdeckte ich sogar eine Schnecke mit Häuschen und fünf Nacktschnecken drum herum. Vermutlich eine Immobilienbesichtigung. Mein Nachbar hingegen wirft immer nur einen kurzen Blick in seinen Garten, fragt sich: „Is noch alles da“ – Jo und feddisch!!! Die Kolumne Die Deidesheimerin Anne Vogd gewann 2016 den SWR3-Comedy-Förderpreis in Bad Dürkheim – für die gebürtige Rheinländerin, die seit 25 Jahren mit Mann und Tochter in Deidesheim lebt, der entscheidende Impuls, ihre Tätigkeit als Diplomkauffrau an den Nagel zu hängen und sich ganz auf Comedy zu konzentrieren. Unter der Rubrik „Annes Welt“ veröffentlichen wir regelmäßig, was der 51-Jährigen, die von sich selbst sagt, dass es für sie fast nichts Schöneres gebe, als freitags am Spätnachmittag den Rasen zu mähen, so durch den Kopf geht. |av/Foto: frei

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