Neustadt Das Popcorn-Massaker

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Hassloch. Ein Massaker aus verstreutem Popcorn, Salzkörnern, Wollresten und benutzten Requisiten. So wie am Freitagabend hat die Bühne im Haßloch Kulturviereck wohl noch nie nach einem Auftritt ausgesehen. Der Wahnsinn aber hat Methode beim Chaostheater Oropax, welches seit über 30 Jahren der professionellen Lust am gehobenen Schwachsinn frönt.

Das Comedy-Duo, bestehend aus den Brüdern Volker und Thomas Martins, nutzte bei seinem Gastspiel mit „Oropax - experimentiert“ das Großdorf, seit vielen Jahren Mekka der Marktforscher, einmal mehr als Testmarkt. Diesmal für brandneue Gags, die bis Herbst in ein neues Programm fließen sollen. Wie zu erwarten war, zündeten nicht alle Ideen, doch der Kalauer-Kanonade konnte sich am Ende auf Dauer keiner entziehen, der noch einen Funken Leben im Leib hat. Da taucht etwa ein über und über in alte Wolldecken gehüllter Mann auf und behauptet steif und fest, Wolldemort zu sein. Ja, der aus Harry Potter. Und deswegen hätte sein Bruder jetzt gefälligst Angst zu haben. Klar, hier stehen absolute Wollidioten auf der Bühne – oder Wollprofis, wie man es eben sehen will. Nachdem der Zuschauer vor solchen triumphal sinnlosen Wortspielereien kapituliert und sich in sein Schicksal ergeben hat, an diesem Abend Tränen zu lachen, beginnt er sich zu fragen: Was ist eigentlich so komisch an „Oropax“? Nun, da ist zunächst einmal ihre Rollenverteilung. Die erinnert an die von Laurel und Hardy, und die hat ja bekanntlich auch super funktioniert: Volker Martins bildet sich also stets ein, der Schlauere zu sein, Bruder Thomas gibt dafür den grenzdebilen Narren. Extrem wortgewandt sind beide: Der Wortwitz wirkt erdig und improvisiert, ist in Wirklichkeit natürlich aber alles andere als spontan. Dazu kombinieren die Brüder eine wahrlich überbordende anarchische Lust am Absurden. Das wirkt ungefähr so, als würden zwei kleine Jungs ausgelassen miteinander spielen - und wahrscheinlich haben die Brüder seit ihrer Kindheit in Wahrheit auch niemals etwas anderes getan. Wenn die beiden zusammen kochen, muss der arme Thomas einen Liter kalten Tee auf Ex, dazu Spülmittel und Olivenöl durcheinander trinken. In der ersten Reihe riecht es für den Rest der Show penetrant nach Zwiebeln. Kein Wunder. Denn: Was kocht Gott, wenn er in Frankreich ist? Natürlich das jüngste Gericht. Und wussten Sie schon, dass Dart(h)s Vader eigentlich nicht atmet, sondern in Wahrheit einen Fahrradschlauch aufpumpt, während er sein Gesicht hinter einer Schweißermaske versteckt? Überhaupt, „Star Wars“. Der erste Teil ist der vierte Teil, sinniert Thomas, und der zweite Teil der fünfte. Und so weiter. Und außerdem: Harrison ist gar nicht Ford. Ja, sowas kann einen schon echt verwirren. Wohingegen Volker seine Rolle des Oli Garchen wiederum ganz klar ist. Er muss natürlich VW fahren. Wegen des Feinstaubs. Kommt er doch aus Ruß-Land. Dazu tanzt Thomas alias Maxim Popowitsch, Ober- und Unterkörper in jeweils einen alten Wollpullover gewandet, Kasatschok und fällt dabei immer wieder auf den Allerwertesten. Danach kann nichts mehr kommen? Oh doch. Denn zum Schluss wird Harald Pinski mit seinem maisgetriebenen Rennrollstuhl die Bühne noch in besagtes Popcorn-Massaker verwandeln. Während altbewährte „Oropax“-Figuren wie Pinski oder der Mönch nach wie vor bombensicher für Lacher sorgten, zündete bei weitem nicht jeder neu erdachte Kalauer. Doch genau das, nämlich die komödiantische Spreu vom Weizen zu trennen, war ja Sinn der Sache – zumindest für die beiden Freiburger Comedy-Urgesteine, die jede Show auf Video aufzeichnen und akribisch analysieren. „Wir haben die schon mit mehr Drive erlebt“, kritische Bemerkungen wie diese waren in der Pause von manchen Gesprächsgruppen zu hören, saßen im vorwiegend jungen Publikum doch zahlreiche treue Fans der Comedians, zum Beispiel extra aus Trier oder Mannheim angereist. Zum Glück gewann der zweite Teil dann deutlich mehr an Fahrt. Und so hatten die Comedians das Publikum am Ende dann doch noch genau dort, wo sie es haben wollten: Nach zwei Stunden „Oropax“ waren alle völlig ausgelacht. Und der Requisiteur hatte das Nachsehen. Obwohl er sich anscheinend rechtzeitig in Sicherheit gebracht hat. „Er hat vor lauter Pessimismus die Bühne verlassen.“

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