Neustadt Bahn-Nostalgie im Mini-Format

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Die Ausstellung im Rathausfoyer ist zwar sehr klein, aber zeigt große Wirkung. Eisenbahnsammler Fritz Ehresmann ist am Sonntag noch nicht einmal ganz mit dem Aufbau fertig, als schon die ersten Nasen an die Scheiben gepresst werden, und auch sein Modellbaukollege Jannik Oberhettinger schraubt bis zuletzt mit feinem Gerät an seiner „Märklin Miniclub“-Spielzeugbahn. Dass das charakteristische Surren von Ehresmanns erster Federwerk-Bahn, gebaut 1956 bis 1958, derweil schon durch das Rathausfoyer schallt, können die Besucher draußen vor der Scheibe wohl nur erahnen. Trotzdem fühlt man sich wie in einem Spielwarengeschäft kurz vor der Öffnung: Kinder wie auch Senioren schauen schon gespannt hinein. Kaum jemand geht einfach an den kleinen, detailgetreuen Zügen und der trafobetriebenen Autobahn vorbei, die der Neustadter Ehresmann aus seiner privaten Sammlung mit nach Haßloch gebracht hat. „Die Ausstellung soll dem Weihnachtsmarkt eine ganz besondere Note verleihen“, sagt er, „denn so etwas gibt es nicht überall“. Jetzt öffnet sich die Tür, und schnell wird Ehresmann vor seinen Tischen mit den fünf Modelleisenbahnen in Fachsimpeln verwickelt. Die 95-jährige Haßlocherin Else Scherb weiß noch, wie ihr Sohn sich über seine erste Bahn gefreut hat. Ein älterer Herr fragt Ehresmann regelrecht ab: Welcher Hersteller hat wohl die Aufziehlok gebaut, und ab welchem Jahr waren Modellbahnen nicht mehr analog, sondern digital betrieben? Ehresmann bewahrt Ruhe. Er hat die Mini-Ausstellung, zu der auch ein moderneres Leihstück gehört, chronologisch gegliedert: „Wir wollen damit die Entwicklung von der Nachkriegszeit bis heute zeigen.“ Stolz zeigt er seine Federwerk-Eisenbahn, die er selbst als kleiner Junge bekommen hat. Seine erste Modelleisenbahn also, und sie läuft noch heute: „Ich habe halt schon immer gut auf meine Sachen aufgepasst“, erklärt Ehresmann und lacht. „So ein Schlüssel kostet heute bestimmt zehn Euro“, wirft ein Senior ein und zeigt auf das Werkzeug, mit dem die Lok wie ein Uhrwerk aufgezogen wird. Übertreiben darf man es auf keinen Fall, weiß der Sammler: „Sonst ist es überdreht und geht kaputt.“ Auch eine Modellautobahn, erstmals 1963 von der Firma Faller Auto-Motor-Sport (AMS) auf der Spielwarenmesse in Nürnberg vorgestellt, beeindruckt. 33 Mark hat er als Junge vom gesparten Geld für den gesamten Kasten bezahlt, erinnert sich Ehresmann. Dringend sucht er das passende Polizeiauto mit echtem Blaulicht: „Das wäre die Sensation für mich.“ Eine Tribüne und der „Shell-Turm“ sind weitere Sammlerträume. „Ab und zu bekomme ich Sachen aus Nachlässen oder ersteigere sie, aber vieles muss ich aus Platzgründen dafür auch wieder hergeben.“ Ehresmann erzählt, dass der Sohn von Kaiser Napoleon stolzer Besitzer der allerersten Modelleisenbahnanlage der Welt gewesen sei. Für viele Gespräche am Tisch sorgt auch die Monorail-Einschienenbahn der Firmen Alweg und Schuco, die niemand Geringeres als Walt Disney schon 1959 auch als große Version in seinem Disneyland in Florida eröffnet hatte. Was Ehresmann, der auch eine große Sammlung rund ums Kino besitzt, leider aus Brandschutzgründen nicht vorführen darf, sind seine beiden schönen „Laterna Magica“-Exemplare, eines von 1905 und eines kurz vor der damaligen Jahrhundertwende: Von Hand wurden damals Glasstreifen mit allerlei Märchenbildern koloriert, später aber auch leider mit brutalem Kriegsgeschehen. Den Abschluss der Sammlung bildet die Märklin-„Spur Z“ von Jannik Oberhettinger, ein 1972 auf den Markt gekommenes Modell und Erbstück von seinem Vater. „Die Bahn werde ich nie im Leben hergeben“, betont der 24-jährige Elektriker. Überhaupt gefallen ihm analoge Bahnen besser: „Die sind nicht nur günstiger, sondern klingen auch schöner.“ Da ist es also wieder, das charakteristische Surren. Es soll auch an den beiden letzten Advents-Sonntagen noch viele Besucher erfreuen. DIE AUSSTELLUNG An beiden verbleibenden Advents-Sonntagen ist die Mini-Ausstellung „Kinderträume“ im Rathausfoyer von 15 bis 18 Uhr als Teil des Weihnachtsmarktsprogramms zu sehen. Der Eintritt ist frei, Modell-Eisenbahnhäuschen können gratis unter Anleitung gebastelt werden. Gegen Materialkosten gibt es auch Flieger zum Eigenbau.

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