Über den Kirchturm hinaus Ausblicke und Ziele: Was das neue Jahr bringt

Oliver Jaehn
Oliver Jaehn

„Über den Kirchturm“ soll ich schauen – jetzt an der Grenze vom alten zum neuen Jahr. Nichts leichter als das in Hambach und eine gute Gelegenheit für mich als neuer Pfarrer, endlich mal den Kirchturm der Hambacher Pauluskirche zu besteigen und die Aussicht dort zu genießen. 1958 wurde die Kirche eingeweiht, ihr Turm prägt seitdem den Blick auf Hambach und die Hambacher Höhe mit. Eigentlich weiß ich ja auch schon, was mich erwarten wird: im Osten der weite Blick in die Rheinebene, die Silhouette der BASF; im Westen erheben sich Haardtrand und Pfälzer Wald; im Norden sehe ich über die Kirchtürme der Stiftskirche hinweg; im Süden geht der Blick die Weinstraße entlang.

Nach vielen Stufen oben angekommen, öffne ich die knarzende Tür: Oh! Es ist ziemlich diesig. Gute Fernsicht? Fehlanzeige! – Ist nicht schlimm, denke ich mir, dann gehe ich halt nochmal hoch. Aber am nächsten Tag herrscht den ganzen Tag über so ein Nebel, dass sich ein Aufstieg gar nicht erst lohnen würde. Am dritten Tag ist mein Terminkalender so voll, da habe ich keine Zeit. Am vierten Tag habe ich mein Vorhaben schlicht vergessen. Aber am fünften Tag: Die Sonne scheint vom klaren, blauen, winterlichen Himmel. Aber wo habe ich den Schlüssel abgelegt?

Bis alles passt

Also mache ich es anders: Ich stelle mich vor den Kirchturm, ganz nah an die Wand, berühre seine Mauern mit den Händen und blicke hoch, blicke über den Kirchturm hinauf zum Himmel. Welch ein Ausblick! Ich stehe mit beiden Füßen auf der Erde, spüre die Nähe der Kirche und sehe die Weite des Himmels. Hier stehe ich in der Gewissheit, dass sich die Gnade Gottes über mir ausbreitet, dass ich fühlbar aufgenommen bin in einer guten Gemeinschaft, in der ich zu Hause bin und dass ich mit beiden Füßen auf dem Boden der Tatsachen und des Lebens stehe.

Der Ausblick am Übergang zum neuen Jahr ist gewiss nicht ungetrübt. Was wird auf uns zukommen? Und: Können wir verantwortungsvoll damit umgehen? Corona und der Klimawandel und so mache ganz private Herausforderung werden uns in Atem halten. Aber es hilft wohl nicht, so lange auf den Kirchturm zu steigen, bis uns endlich alles passt und uns die Aussicht gefällt.

An Weihnachten haben wir gefeiert, dass Gott aus der Weite des Himmels zu uns kommt, sich zu mir stellt mit meinen trüben Aussichten, Sorgen und Fragen. In seiner Gemeinschaft spüre ich die Erde, auf der ich stehe und spüre die Kraft, die er mir schenkt, um das Leben verantwortungsvoll zu gestalten. Mit Gottes Kraft will ich nicht nur in dieses neue Jahr schauen, sondern getrost und behütet in dieses neue Jahr gehen. Und jedes Mal, wenn ich nun am Kirchturm vorbeigehe, werde ich mir vornehmen, kurz stehen zu bleiben, in den Himmel zu blicken und „Danke, Gott!“ zu sagen. Das ist mein Vorsatz fürs neue Jahr. Machen sie doch einfach mal mit! So: Jetzt geh ich aber hoch! Ein gesegnetes neues Jahr.

Der Autor

Oliver Jaehn, Pfarrer der protestantischen Paulusgemeinde Hambach

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