Neustadt Auf Shakespeares Versen

Neustadt. Mezzospranistin Uta Buchheister und ihr Partner am Klavier Martin Schneuing überzeugten in der Alten Winzingen Kirche das leider nicht sehr zahlreiche Publikum vollends mit einem sehr anspruchsvollen Programm von Shakespeare-Vertonungen aus fünf Jahrhunderten.

Besonders die zeitgenössischen Kompositionen konnten die beiden Musiker faszinierend präsentieren. Die Musikreihe in Neustadts ältester Kirche hat sich zu einem Kleinod der hiesigen Kulturszene entwickelt. Was erwartet man, wenn das Programm Shakespeare Vertonungen ankündigt? Klar, Dowland, Verdi und selbstverständlich Mendelssohn. Tja, das kam am Sonntag ganz anders, aber überhaupt nicht enttäuschend. Uta Buchheister, die sich mit biegsamer, schöner Stimme präsentierte, begann sofort, die Texte der Vertonungen gleichsam „vorzuspielen“. Sie ließ die besungenen Szenerien vor ihrem geistigen Auge erstehen. Man konnte ihr dabei zusehen, wie sich in ihrem Gesicht Schmerz, Trotz und Freude spiegelten. Ihr Vortrag hatte bisweilen durchaus komödiantische Qualitäten. Sie kann mit ihrer sehr wandelbaren Stimme die Palette von opernhafter Größe bis zu flüsterndem Parlando mühelos bedienen. Ihr Partner am Klavier, Martin Schneuing, zeigte sich kongenial. Ob es sich um zurückhaltende, klassische Liedbegleitung bei Schubert oder präpariertes und mit den Händen im Innenraum des Flügels gespieltes Klavier bei den zeitgenössischen Werken handelte, Schneuing fand stets das richtige Maß zwischen Begleitung seiner Solistin und gleichwertigem, solistischem Spiel. So entstand in den zeitgenössischen Sonett-Vertonungen des Berliner Komponisten Stefan Lienenkämper echte Polyphonie: Die Gesangstimme und der Klavierpart entwickelten sich scheinbar unabhängig voneinander und umschlangen sich im Verlauf förmlich. Überhaupt waren diese beiden Kompositionen (Sonette Nr. 18 und Nr. 60) das Glanzstück eines Programms, das voller Abenteuerlust wild gemischt durch fünf Jahrhunderte Musikgeschichte führte. Es gab „Arriviertes“ zu hören, etwa Schuberts „Ständchen“ und „An Silvie“, weniger oft Gespieltes, wie die „Drei Lieder der Ophelia“ von Richard Strauss bis hin zu den faszinierenden „Songs for Ariel“ von Michael Tippet. Ein besonders spannender Aspekt des ohnehin raffinierten Programms war, dass manche Texte in unterschiedlichen Vertonungen auftauchten. So konnte man den Komponisten quasi über die Schulter schauen. Wie unterschiedlich die Vertonungen mitunter klangen: Ophelias Irrsinn hatte bei Richard Strauss etwas fast Gespenstisches, bei Ernest Chausson klang das eher ausgelassen fröhlich. Das berühmte 18. Sonett (Shall I compare thee to a summer’s day...), das es in unzähligen Vertonungen gibt, klang bei Lienenkämper unerwartet traurig, obwohl es doch als das Liebessonett schlechthin gilt. Das gab dem Text eine neue, interessante Wendung. Einzig bei einer Vertonung von Thomas Morley aus „Wie es euch gefällt“, die zu Shakespeares Zeiten entstand, hätte man sich als Begleitinstrument die klanglich intimere Laute statt des modernen Flügels gewünscht. Womit wir den kritischen Teil bereits abgehandelt hätten. Sogar die schwierigen akustischen Verhältnisse in der Alten Winzinger Kirche hatte das Duo weitgehend unter Kontrolle. Uta Buchheister drosselte ihre mächtige Stimme ab und zu, um dem Hall nicht zu viel Raum zu geben, Martin Schneuing hielt den Flügel meist nur wenig geöffnet. Zum Ende der Liedauswahl erklangen vier Lieder aus Erich Wolfgang Korngolds Shakespeare Vertonungen op. 29 und op. 31. Das sind ebenfalls sehr selten zu hörende „Schmankerl“ aus der Feder des fast vergessenen Zemlinksy-Schülers. Uta Buchheister und Martin Schneuing ließen es hier noch einmal Krachen. Das klang satt und ausgewogen, war textlich großartig ausgestaltet ohne überinterpretiert zu sein und stellte einmal mehr das Klavier als gleichwertigen musikalischen Partner heraus. Das Publikum applaudierte dem Duo zu Recht begeistert und anhaltend. Was kann man mehr erwarten? Richtig: Eine Zugabe. Die gab es dann in Form von Hugo Wolfs Lied des transferierten Zettel (aus dem Sommernachtstraum). (ibm)

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