Neustadt „Ach, diese Stimme!“

Deidesheim. Ein Musicalstar in der Kirche? Das passt. Denn Angelika Milster, erstmals weithin bekannt geworden als die deutsche Besetzung der Grizabella aus dem Musical „Cats“, verfügt über ein breit gefächertes Repertoire. Dazu zählt auch kirchliche Literatur.

Das Konzert in der Deidesheimer Pfarrkirche St. Ulrich ist gut besucht, auch wenn noch Plätze frei sind. Dafür wird es in den Sitzreihen am Mittelgang eng. Von hier aus bietet sich der beste Blick auf die in warmes Licht getauchte Apsis. Und hier muss die Schauspielerin und Sängerin auf ihrem Weg vorbeikommen. Da werden auch schon die Hälse lang. Blond und zierlich, ganz in schwarz gewandet und mit glitzerndem, großem Ohrschmuck schreitet sie zum Altarraum, nickt freundlich, grüßt freundlich „Guten Abend“ – und hat damit die Herzen des Publikums schon vor dem ersten Lied gewonnen. Eineinhalb Stunden wird sie es in ihrem Bann halten mit einem ebenso umfang- wie abwechslungsreichen musikalischem Programm, mit teils erklärenden, teils anekdotischen Überleitungen zwischen den Liedern und mit manchen kleinen Episoden aus ihrem Leben, die sie mit Liedern verknüpft. Das in der Vertonung von Johannes Brahms bekannt gewordenen Gedicht „Guten Abend, gut′ Nacht“ beispielsweise, für sie „eines der schönsten Gute-Nacht-Lieder überhaupt“, nimmt sie zum Anlass, ein paar Worte über ihre strenge Erziehung zu verlieren, und darüber, dass der Großvater ihr gern Lieder mit veränderten Texten vorgesungen habe. Auch damit gewinnt sie die Sympathien des Publikums. Das ist auch von weiter her angereist und belohnt sie schon nach den ersten Liedern wie „People“, einer Komposition von Jule Styne, „Ich hab geträumt“ von Alexander Kovatchev und Pete Seegers’ „Sag mir, wo die Blumen sind“ zusätzlich zum begeisterten Applaus mit lauten Beifalls- und Bravorufen. Bei letzterem warten die Besucher nicht einmal, bis der letzte Ton verhallt ist. „Begegnungen“ lautet das Motto von Angelika Milsters aktueller Kirchenkonzerttournee. Es sind musikalische Begegnungen von Musical und Klassik, inklusive Kirchenliedern. Immer aber spielen bei diesen „Begegnungen“ auch Gefühle eine wichtige Rolle. „Man muss sie fühlen, die Musik“, erläutert Milster mit dem sehnsuchtsvollen „In mir klingt ein Lied“ (der „Tristesse“ von Frédéric Chopin), denn „Lieder“, führt sie aus, „drücken manchmal aus, was sich nicht in Worte fassen lässt“. Angelika Milster singt, unterstützt von ihrem ganz hervorragenden musikalischen Begleiter Jürgen Grimm, von Liebe und Wundern, zieht mit eigenen Interpretationen musikalisch den Hut vor Größen wie Edith Piaf und verleiht auch liturgischen Liedern wie dem „Agnus Dei“ von George Bizet mit ihrer unverwechselbaren Stimme einen eigenen Klang. Ihr schauspielerisches Talent stellt sie beim Konzert in der Kirche zurück. Und doch verrät es sich in vielen kleinen Gesten und in ihrer Mimik. Das fällt den Zuhörern und Zuschauern vor allem bei der „Erinnerung“ der alten Katze Grizabella aus Andrew Lloyd Webbers Musical „Cats“ auf. Diese Rolle und dieses Lied machten Angelika Milster einst einem großen Publikum bekannt. „Dieses Lied gehört zu meinem Leben“, sagt die Künstlerin denn auch. Und als nun im Kirchenschiff die Träume der alten Grizabella Raum greifen, Erinnerungen an die Zeit, als diese noch jung war und unbeschwert, sind Milsters sparsame, aber sehr ausgeprägte Gestik und Mimik so katzenhaft, dass sie für das Publikum doch wieder zu der Figur aus dem Musical wird. Neunzig Minuten überwiegend Besinnliches auf hohem Niveau. Langsam leert sich die Kirche. „Wunderschön“, „Es hat sich gelohnt“, „Ach, diese Stimme“, freuen sich Konzertbesucher beim Hinausgehen. Viele bleiben vor dem Ausgang noch einmal bei der Sängerin stehen, um ihr zu danken – und sich ein Autogramm geben zu lassen.

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