Neustadt Wolfgang Amadeus pur

Auftakt zu einem schwerelos schönen, vom Publikum zu Recht stürmisch gefeierten Mozart-Abend: das B-Dur-Konzert (KV 191) mit der
Auftakt zu einem schwerelos schönen, vom Publikum zu Recht stürmisch gefeierten Mozart-Abend: das B-Dur-Konzert (KV 191) mit der Leipziger Fagottistin Lydia Pantzier. Rechts Dirigent Volker Schmidt-Gertenbach.

«Neustadt». In der städtischen Konzer-Reihe gastierte am Dienstag das „Schlesische Kammerorchester“, sozusagen die kleine Schwester der in Katowice beheimateten „Schlesischen Philharmonie“, im Saalbau. Und präsentierte mit dem Gastdirigenten Volker Schmidt-Gertenbach und vier exzellenten Nachwuchssolisten einen schwerelos schönen, vom Publikum zu Recht stürmisch gefeierten Mozart-Abend.

Die pure Fokussierung auf einen einzigen Komponisten – das kann ermüden, selbst wenn das Genie Wolfgang Amadeus Mozart sein Füllhorn öffnet. Was aber jenseits der unbestritten herrlichen – etwas provokant formuliert – „störungsfreien“ Musik das Geschehen auf dem Podium mit Vitalität und Spannung durchpulste, war die fabelhafte, sich gefühlt permanent doppelnde klangliche Super-Leistung der Ausführenden. Beginnen wir mit dem ungeachtet seiner fast 40-jährigen Tradition sichtlich jugendfrisch aufgestellten „Schlesischen Kammerorchester“, das, besetzt im Mozart’schen Gardemaß – 15 Streicher, je zwei Oboen und Hörner –, ein wahres Muster an kammermusikalischer Disziplin und klanglicher Raffinesse transportierte; als Begleitapparat ein Idealpartner an sorgsam ausgefühlter Klangbalance und unaufdringlich stützendem Fundament für die Entfaltung der solistischen Glanzlichter. Gleichwohl behauptete sich das eigene Erscheinungsbild des Ensembles souverän in sorgsam ausgeleuchtetem Kolorit, einem ebenso akkuraten wie geradezu beiläufig munteren Zusammenspiel von stets samtiger Frische. Da tupfte, flüsterte, sang sich das Mozart’sche Melos, zuweilen auch überbordend übermütig, aber stets in ungetrübt noblem Klanggestus aufs Verführerischste in die Gehörgänge. Eine unübersehbar selbstbewusste Orchestergemeinschaft setzte sich da unspektakulär, dennoch überzeugend ins Szene. Die – vorsichtig formuliert – unaufgeregte, gestisch sehr zurückgenommene Leitung vom Pult durch den Gastdirigenten Volker Schmidt-Gertenbach, der, als Primus inter Pares quasi, ohne Podest auf Augenhöhe mit den Solisten agierte, schien zuweilen den souveränen Zugriff der fabelhaften Musiker eher zu unterstreichen als ihn auszulösen. Gleich vier junge, bereits international reputierte Bläser-Solisten präsentierten sich außerdem dem Publikum, drei davon vor der Pause in Konzerten, die allesamt zu den Repertoire-Hits Mozart’scher Provenienz zählen. So choreografierte die aus Leipzig stammende Fagottistin Lydia Pantzier das B-Dur-Konzert (KV 191) mit tänzerischem Körpereinsatz zu makelloser Ton-Delikatesse. Schwelgen ließ sich nicht zuletzt in der wunderbar abgestuften Klangsinnlichkeit des langsamen Mittelsatzes, dessen schmelzender Herzton ja schon behutsam ein Fenster zum erst viel später komponierten „Figaro“ öffnet. Auch der ukrainische Künstler Yuriy Khvostiov ließ beim berühmten Oboen-Konzert Es-Dur (KV 285d) – für das Mozart bekanntlich einen Flöten-Zwilling, nach D-Dur transponiert, komponierte – hinsichtlich Brillanz und spielerischer Noblesse keinerlei Wünsche offen, wartete zudem mit drei besonders ausgefallenen, hochartifiziellen Kadenzen auf. Daniel Loipold aus Österreich wiederum lieferte mit dem Horn-Konzert Es-Dur (KV 417), eine wahres Kabinettstück an stupender Bläserkultur. Unter Verwendung der klassischen Stopftechnik – dabei kann der Spieler mit der rechten Hand im Trichter maßgeblich auf Tonhöhen und Farbgebung Einfluss nehmen – formulierte er nicht zuletzt das figurale Ghirlandenwerk des Rondo Allegro zu fulminant funkelnden Blitzgewittern. Nach der Pause dann die Sinfonia concertante Es-Dur (KV 297b), bei der sich als vierter Solist der aus der Schweiz stammende Klarinettist Sérgio Pires zu den anderen hinzugesellte. Über die Echtheit der Urheberschaft bestehen bei der „Sinfonia concertante“ bis heute leise Zweifel – die Existenz des Werks ist zwar aus Briefen Mozarts belegt, das Autograph allerdings verschollen und nur nach einer Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten Abschrift rekonstruiert worden. Ungeachtet dessen: Es ist ein Musikstück von großer Strahlkraft, das als Tableau für virtuosen Zugriff, gestalterische Empfindsamkeit und virtuosen Schlagabtausch zwischen Orchester und Solisten-Quartett eine Spielwiese von verschwenderischer Üppigkeit bietet und alle Tugenden köstlichen Konzertierens prachtvoll bündelt. Man lauschte hingerissen dem prachtvollen musikantischen Zugriff, bei dem nicht zuletzt das perfekte Zusammenspiel der Akteure beeindruckte. Applaus!

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