Neustadt „Kulturschätze sollen im Boden bleiben“

Die ehemalige Kirche St. Ludwig: Archäologen vermuten, dass sie bei Grabungen Teile von alten Klostermauern entdecken.
Die ehemalige Kirche St. Ludwig: Archäologen vermuten, dass sie bei Grabungen Teile von alten Klostermauern entdecken.
Der neue Eigentümer des Areals um das ehemalige Bistumshaus St. Ludwig hat kürzlich erstmals seine Pläne vorgestellt. Was halten Sie von den neuen Plänen? Himmelmann:

Konkret können wir das erst beurteilen, wenn wir einen genehmigungsfähigen Bauantrag vorliegen haben. Schon jetzt lässt sich aber sagen, dass die Absichten sich erheblich von dem unterscheiden, was der Vorbesitzer auf dem Gelände machen wollte. Die Firma Kuttler hat angekündigt, den Bestand erhalten zu wollen. Alles, was unter den historischen Gebäuden und den Gewölbekellern liegt, kann im Boden bleiben. Wir werden nur soweit graben, wie dies für die Planungen notwendig ist. Warum sind Sie als Archäologen zufrieden, wenn mögliche historisch bedeutsame Funde im Boden bleiben? Wollen Sie nicht graben? Hissnauer: Doch natürlich. Aber unser gesetzlicher Auftrag ist der Schutz des Kulturguts, auch mit Blick auf kommende Generationen. Daher ist es in unserem Sinne, wenn so wenig wie möglich eingegriffen wird. Das heißt, Sie kommen Ihrem Auftrag nach, wenn Sie möglichst wenig graben? Hissnauer: Ja. Es klingt paradox, aber am besten geschützt sind die Kulturgüter, die weiter in der Erde liegen. Denken Sie etwa an Funde wie Eisenwaffen. Die sind im Boden wunderbar konserviert, so lange bis sie ausgegraben werden. Dann beginnt ein fast nicht zu gewinnender Wettkampf gegen den Verfall mit schwierigen restauratorischen Problemen. Himmelmann: Dadurch dass wir möglichst wenig graben, ersparen wir dem Investor und letztlich dem Steuerzahler Kosten. Wenn zufällig Funde gemacht werden, dann müssen wir aktiv werden. Wenn wir aber so wie beim Bistumshaus St. Ludwig in der Planungsphase schon dafür sorgen können, dass manche Dinge im Boden bleiben, dann entstehen diese Kosten erst gar nicht. Die neuen Eigentümer planen bewusst ohne neue Kellerräume und Tiefgarage. Sie schätzen, dass lediglich rund ein halber Meter tief in den Boden gegangen werden muss. Wie wahrscheinlich ist es, in dieser Tiefe etwas archäologisch Bedeutendes zu finden? Hissnauer: Wir rechnen in Speyer damit, dass wir in einem Bereich von bis zu vier Metern oder möglicherweise sogar noch mehr historisch Bedeutsames finden können. Das liegt daran, dass hier über sehr lange Zeiträume hinweg gesiedelt wurde. Tiefgaragen sind deshalb häufig ein Problem. Speyers historische Bedeutung ist sicherlich ein zentraler Grund, weshalb in der Stadt so wenig Tiefgaragen existieren. Aber auch eine Planung ohne Tiefgarage oder Keller kann bedeuten, dass wir Funde machen. Das heißt, auch der neue Eigentümer ist nicht sicher vor Überraschungen? Hissnauer: Wir wissen nie exakt, was wir finden. Es ist aber kein Vergleich zu den vorherigen Planungen. Demnach wären wir deutlich tiefer in den Boden gegangen. Was vermuten Sie denn in der Erde? Himmelmann: Wir sind über eine Sondage, die wir bereits im Jahr 2010 – damals noch im Auftrag der Kirche – gemacht haben, ganz gut im Bilde darüber, was wir auf dem Areal erwarten können. Wir wissen, dass die späteste Klosterphase im Boden ab zirka 30 Zentimeter beginnt. Wir werden bei den Grabungen für die Bodenplatte sicherlich Mauern des damaligen Klosters finden, möglicherweise auch Vorgängerbauten. Wir werden aber nicht in tiefere Schichten vorstoßen, wo wir das ganze Frühmittelalter, die römische Zeit oder sogar noch ältere Funde machen könnten. Wir gehen nur soweit, wie es für die Planungen des neuen Investors nötig ist und hören auf, selbst wenn es spannend ist. Warum ist gerade dieses Areal historisch so interessant? Himmelmann: Das liegt daran, dass es topographisch die höchste Stelle in der Altstadt ist. Die Römer haben an solchen herausragenden Punkten häufig auch bedeutende Gebäude errichtet. Insofern wäre es nicht verwunderlich, wenn dies auch hier der Fall ist. Wir wissen beispielsweise, dass es in der Stadt ein römisches Theater gegeben haben muss, wir kennen aber den genauen Ort nicht. Ist das auch ein Grund dafür, warum das Gelände als Grabungsschutzgebiet ausgewiesen ist? Himmelmann: Wir können im Einvernehmen mit der Stadt Speyer solche Gebiete festlegen. Das ist eine ganz normale Möglichkeit. Das heißt aber nicht, dass dort nicht mehr gegraben werden darf. Es bedeutet aber, dass wir immer zu beteiligen sind, wenn auf diesem Gebiet Bodeneingriffe stattfinden. Oberbürgermeister Hansjörg Eger will in den nächsten Jahren in Zusammenarbeit mit uns ein noch zu definierendes Grabungsschutzgebiet für die Altstadt in Speyer ausweisen. Was genau versprechen Sie sich davon? Himmelmann: Es geht uns darum, Rechtssicherheit zu haben. Wir wollen damit keine Bautätigkeiten verhindern. Es ist aber das klare Signal, dass Bauherren schon in der Planungsphase daran denken, dass sie in diesem Gebiet auch mit der Archäologie zu tun haben. Wir machen Vergleichbares gerade in Landau. Dort gab es vor vier Jahren den Fall, dass ein Festungswerk überraschend bei Bauarbeiten aufgetaucht ist. Dabei hätten wir das wissen können. Anhand von historischen Karten wissen wir relativ sicher, wo Teile der ehemaligen Festung Landau noch im Boden liegen können. Denken Sie nicht, dass ein Grabungsschutzgebiet mögliche Bauherren überfordern oder abschrecken könnte? Hissnauer: Im Gegenteil. Das ist eine sehr wertvolle Situation für alle Beteiligten. Wir ändern ja nicht, ob Archäologie im Boden steckt oder nicht. Je früher sich Investoren damit auseinandersetzen, desto besser. Himmelmann: Wir sehen uns als Partner der Bauherren. Wenn eine Chemie-Altlast auf einem Grundstück ist, dann wollen sie das als Investor ja auch wissen. Der schlimmste Fall ist immer der, wenn etwas Bedeutendes gefunden wird, und die Bagger sind bereits im Einsatz. Dann kostet jede Verzögerung in der Regel viel Geld. Das wollen auch wir als Archäologen vermeiden. Wir hatten im vergangenen Jahr nur einen einzigen Baustopp, den wir in Zusammenarbeit mit den Behörden verhängen mussten. Ansonsten konnten wir schon im Vorfeld Lösungen finden. Zur Person —Der Archäologe Ulrich Himmelmann leitet seit 2014 die Speyerer Außenstelle der Landesarchäologie Rheinland-Pfalz. — David Hissnauer ist seit 2016 als Gebietsreferent in der Speyerer Außenstelle der Landesarchäologie Rheinland-Pfalz tätig.

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