Ludwigshafen Vegetarische Gefühle

Seit bald 40 Jahren besteht das Mannheimer Kabarett Dusche. Die Anzahl seiner Programme übertrifft diese stolze Anzahl von Jahren noch. Jetzt, wie meistens im Oktober, feierte das 42. Programm „Zeitgeisterbahn“ Premiere in der Klapsmühl’ am Rathaus.

Das Kabarett Dusche, bestehend aus dem bewährten Trio Josefin Lössl, Wolfgang Schmitter und Hans Georg Sütsch, bot eine schwungvolle, abwechslungsreiche, teilweise hochaktuelle Nummernrevue, die sie von nun an ein Jahr lang stetig auf die Klapsmühl’-Kleinkunstbühne bringen werden. Die wurde übrigens seinerzeit von Mitgliedern der Dusche gegründet. Die Texte schrieben wieder Frederic Hormuth, Wolfgang Marschall und Volkmar Staub auf den Leib, dazu der Neuzugang Volker Heymann. Der Schauspieler ist in der regionalen Szene als Autor, unter anderem für Bülent Ceylan und die Weinheimer Spitzklicker sowie als Mitglied der Truppe Mannheimer Kulturknall bekannt. Die Regie verantwortet wieder Gerhard Piske, die Musik Willi Haselbek und Frederic Hormuth. Das anfängliche Zuschauercoaching, das Hans Georg Sütsch betreibt, ist eigentlich nicht vonnöten. Schon gar nicht bei der Premiere, bei der die Klapsmühl’ sehr gut besucht ist von Mitgliedern des Fördervereins und Freunden, die der Dusche zum Teil schon lange Jahre die Treue halten. Ob nun das NPD-Mitglied im Mannheimer Gemeinderat dem herrschenden Zeitgeist zuzurechnen oder schlicht die Folge eines krassen Fehltritts auf der Zeitleiste ist, bleibt vorerst ungeklärt. Die Dusche zeigt aber anschaulich, wie die Stadträte der übrigen Parteien sich den Nazi-Dreck mit Feuchttüchern von den Händen zu wischen suchen, wie sie sich nach einer Sitzung im Stadthaus nazifiziert wähnen und wahlweise vorschlagen, den Ratssaal vom Pfarrer neu einsegnen oder vom Hausmeister kärchern zu lassen. Wolfgang Schmitter, schon seit der Gründung der Dusche dabei, gibt wieder sein Alter Ego, den Veteran Adolf Schmittke. Der Ukraine-Konflikt eröffnet dem helmbewehrten Altgedienten aus dem Seniorenheim unverhofft die Aussicht, dem Russen noch einmal Aug’ in Aug’ gegenüberstehen zu dürfen. Für ihn ein Ziel aufs Innigste zu wünschen, denn der Russe bleibe eben die ewige Champions League unter den Feindbildern. Gemeinsam beackern Schmitter, Lössl und Sütsch kabarettistisches Brachland, indem sie nach frischen, unverbrauchten Zielscheiben für Satire Ausschau halten. Ohnehin bestimme vor allem die erotische Ausstrahlung des Kandidaten die Gunst der Wähler. So stimmt Josefin Lössl eine Ode auf den Grünen Cem Özdemir an, den Inbegriff der Assimilation, und Wolfgang Schmitter einen Gysi-Rap zu Ehren des Fraktionsvorsitzenden der Linken. Doch Fleischeslust kommt weder hier noch dort auf, es herrschen vegetarische Gefühle.

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