Ludwigshafen Ufert das Filmfestival aus?

Streitfall: Ab 17. Juni ist die Parkinsel zum elften Mal Austragungsort für das Festival des deutschen Films. Die Veranstalter hoffen auf mehr als 75 000 Besucher, einige Anwohner fürchten den Massenansturm – und fordern, dem Kinospektakel Grenzen zu setzen.

Pro

Das Filmfestival ist ein schönes Kulturspektakel, hat aber schon vor einigen Jahren Dimensionen erreicht, die für den Spielort nicht mehr vertretbar sind. Den Parkinsulanern ist es zwar durchaus zuzumuten, dass mehrere Zehntausend Filmfans aus der gesamten Metropolregion für gut zwei Wochen über das Eiland im Süden stapfen. Aber dem Festivalgelände in einem Landschaftsschutzgebiet nicht. Kleine feine Formate wie einst der Inselsommer oder Jazzkonzerte sind hier gerade noch akzeptabel. Aber für Massentourismus mit Vollpension sind die Rheinuferwiesen nicht geeignet. Da mögen die gezeigten Filme auch noch so wertvoll und die Stars auch noch so wunderbar sein.Wir erinnern uns: Mit weniger als 10.000 Besuchern ist das Festival vor zehn Jahren gestartet. Im fünften Jahr waren es schon dreimal so viele, rund 75.000 Tickets sind bei der zehnten Auflage verkauft worden. Wird diesmal vielleicht die Marke 90.000 geknackt? Und in fünf Jahren? Es ist beeindruckend, dass sich immer mehr Menschen für das Festival begeistern, dass sie schon am ersten Vorverkaufstag stundenlang geduldig für Tickets anstehen und sich auf herrliche Sommerabende in Ludwigshafen am Rhein freuen. Aber die können angesichts dieser fabelhaften Erfolgsgeschichte dann nicht mehr direkt am Wasser unter den alten Bäumen stattfinden. Sondern bitte an einem nicht ganz so magischen Standort am Luitpoldhafen oder auch am Lichtenberger Ufer. In den Kinozelten dürfte der Unterschied kaum spürbar sein, und nach dem Filmgenuss kann man ja samt Rotweinglas trotzdem am befestigten Flussufer flanieren. Als das Festival 2013 wegen des Rheinhochwassers kurzerhand umziehen musste, hat dies der Veranstaltung schließlich auch nicht geschadet. Festivaldirektor Michael Kötz sagt im RHEINPFALZ-Interview, dass die Besucher die Grenze des Festivals setzen, nicht der Veranstalter. Er könne die Besucherzahl nicht willentlich einschränken. Dann dürfte er nur noch Stammgäste zulassen oder müsste die Ticketpreise auf 25 Euro erhöhen oder dürfte nur noch Filme zeigen, die keiner sehen will, argumentiert er. Bei anderen Kulturveranstaltungen funktioniert das mit der beschränkten Besucherzahl dagegen ganz automatisch. Wenn die Stones oder Madonna ein Konzert in der SAP-Arena geben, können die Veranstalter logischerweise nur so viele Karten verkaufen, wie Plätze vorhanden sind. Wegen der großen Nachfrage spielen die Superstars auch nicht in der Alten Feuerwache, die zweifellos stimmungsvoller wäre. Fans, die sich nicht rechtzeitig um Tickets kümmern, gehen schlicht leer aus. Ein Landschaftsschutzgebiet, in dem normale Besucher sich nicht einmal ungestraft ein Würstchen grillen dürfen, kann nicht zur Bühne für ein Massenspektakel werden. Contra Wer den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, dem fehlt der Blick fürs Wesentliche. Das Wesentliche der Filmfestspiele ist ihr Erfolg, sprich: die fulminante Resonanz. Ludwigshafen rückt damit bundesweit ins Rampenlicht. Nach der Berlinale hat sich das Kinoereignis dank des anspruchsvollen Programms und der wunderschönen Bühne Parkinsel binnen zehn Jahren zum größten Publikumsfestival der Republik gemausert. Im Vorjahr wurden 65.000 Tickets mehr als beim Start verkauft. Wer hätte damit gerechnet? Jede andere Stadt würde sich eine Veranstaltung wie diese wünschen. 19 lauschige Sommertage, die Menschen aus der ganzen Region und darüber hinaus an den Rhein locken – als Sahnehäubchen die vielen Stars der Branche, für die es mittlerweile eine Ehre ist, eingeladen und ausgezeichnet zu werden. Was um Himmels Willen gibt es daran auszusetzen? Nichts. Eigentlich. So denkt wohl auch die Mehrheit der Gäste und Anwohner. All jene mit dem Blick fürs Wesentliche. Natürlich hat ein Spektakel mit Tausenden Fans auch unangenehme Randerscheinungen, speziell für den Stadtpark. Fünf Prozent von dessen Fläche werden ein Zehntel des Jahres über die Maßen beansprucht. Und der Menschenauflauf ist ungleich höher als sonst. Aber darauf haben die Stadt und die Festivalleitung längst reagiert: mit Gratisparkplätzen in der Walzmühle sowie einem kostenlosen Bus-Service. Seit Jahren werden Freikarten an Anwohner verteilt. Trotzdem geht auch mal was schief. Aber den Willen, die negativen Begleitumstände zu minimieren, kann man den Verantwortlichen nicht absprechen. Und auf 19 Tage ausgedehnt wurde das Festival ja gerade, um den Zuschauerandrang zu entzerren. Andere Festivals mögen nur wenige Tage dauern, dafür werden dort 100 oder mehr Filme durchs Programm gepeitscht. In Ludwigshafen sind es in knapp drei Wochen 64. Keine Frage: Wenn der Aufbau der Zelte und das cineastische Fußvolk Spuren auf dem Areal hinterlassen, dann müssen diese beseitigt und finanziell beglichen werden. So gut es eben geht. Da steht Festivaldirektor Michael Kötz im Wort. Auch er weiß: Ohne das Inselflair wäre sein Festival nur die Hälfte wert. Schäden wie der teils ramponierte Rasen sind doch nur der Tropfen, der das Fass beim Förderverein Parkinsel zum Überlaufen bringt. Dessen Fürsprecher kritisieren, dass sich die Stadt generell nicht angemessen um die grüne Oase kümmert, zu wenig vor Ort kontrolliert, nicht einschreitet, wenn schweres Gerät – wie für die aktuelle Deichsanierung – über die Wege gekarrt wird. Oder aus dem gleichen Grund 80 Bäume gefällt werden. „Die Besucher setzen die Grenze“ fürs Festival, sagt Kötz. Wer denn sonst? Sie mit einer Sonderabgabe („Wiesensoli“) zu bestrafen, wäre grotesk.

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