Ludwigshafen Talk zur Steinigung

Von Theresia Walser hat das Mannheimer Nationaltheater schon etliche Stücke uraufgeführt. „Eine Stille für Frau Schirakesch“ gehörte nicht dazu. Die Uraufführung war vor fünf Jahren in Osnabrück. Mit einer szenischen Lesung hat das Theater die Satire auf eine Talkshow-Gesellschaft nun zum Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen vorgestellt.

„Gut, dass wir drüber geredet haben“, ist eine häufig gehörte ironische Redewendung für das Gehabe in einer Mediendemokratie. In ihrer bitterbösen Groteske nimmt Theresia Walser nicht nur das substanzlose Talkshow-Gelaber auf die Hörner, sondern führt auch gleich noch die hinter in dem Geplapper steckende eitle Selbstdarstellung und Mitleidlosigkeit vor. In dem Stück wartet die Moderatorin einer Talkshow mit ihren Gästen auf den Sendebeginn. In 77 Minuten soll Frau Schirakesch auf dem Marktplatz von Tschundakar gesteinigt werden, und die Talkshow möchte aus der Ferne die grausame Hinrichtung begleiten. „Gesprächspartner“ der Talkrunde sind Heidrun und Ruth, die eingeladen sind, weil sie an einem Schönheitswettbewerb in dem fiktiven Ort Tschundakar, dessen Name nicht von ungefähr an Kandahar erinnert, teilgenommen haben. Die Bikini-Parade aus Solidarität mit der zum Tode Verurteilten hat zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen in dem Land geführt. Dabei ist auch General Gert, auf dessen Befehl hin durch ein Bombardement 14 Kinder beim Holzsammeln umgekommen sind. Ähnlichkeiten mit dem Fall des Obersten Klein im Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr sind naheliegend. Und da ist die traumatisierte Soldatin Rose, für die fast nur ihr Vater als Begleitperson spricht. Moderatorin Hilda Ludowsky bemüht sich nach Kräften, das Grauen kleinzureden und ihre Gäste zur Räson zu rufen. „Das Schöne an meinem Beruf ist, dass ich ihn hasse“, rutscht es ihr heraus. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich im Theatercafé die Tische und Stühle auf der Bühne als das Sofa vorzustellen, das Theresia Walser sich als Requisit für ihr Stück vorgestellt hat. Hier nehmen bei der Lesung die vier Schauspieler und zwei Zuschauer Platz, die die Texte vom Blatt ablesen. Almut Henkel spricht die Moderatorin betulich oder schnippisch autoritär. Carmen Will als Zweitplatzierte beim Schönheitswettbewerb will einzig aus ihrem Dasein als Verkäuferin von Friseurartikeln ausbrechen. Anke Schubert als ausgeschiedene Mitbewerberin Ruth kann ihren Konkurrenzneid nur schlecht verbergen. Jacques Malan als General schwärmt von verschleierten Frauen in Tschundakar und fiebert dem Moment entgegen, wenn er sich mit der Rede, die er in Afghanistan zur Einweihung eines Dixie-Klos gehalten hat, im Fernsehen wiederfindet.

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