Ludwigshafen Täglich 90 Kilometer gestrampelt

91-84797354.jpg

„Eigentlich sind wir ja ein Skiclub“, sagt Udo Selinger beim Frühschoppen mit seinem Freund Horst Rüffel an seinem Gartentisch in der Niederfeldsiedlung. Beide haben je eine prickelnde Rieslingschorle in herrlichen Dubbegläsern vor und gerade erst einige Hundert Kilometer mit dem Rad hinter sich. Von Nordenham an der Nordseeküste ist Selinger mit insgesamt drei Skifreunden aus dem Club „Die Borzler“ in acht Tagen bis in die Gartenstadt geradelt. Absolut pannenfrei.

Was „Borzler“ sind, das erfährt man auf der witzigen Homepage des unkonventionellen Skiclubs. „Borzle“ kommt von purzeln oder auch fallen, kullern, heißt es da. Und weil „Die Borzler“ zwar gerne, aber nicht alle sehr gut skifahren, fanden die Mitglieder den Namen sehr passend. Zu erkennen sind „Die Borzler“ auf einer Piste im österreichischen Großarl an ihren gelben Leibchen, wie ein Gruppenfoto beweist. Ein Dutzend Freunde aus Ludwigshafen und Bad Dürkheim sowie aus dem hohen Norden verbringt jedes Jahr eine Woche Skiurlaub im Salzburger Land. Ein „Borzler“-Quartett tritt jetzt auch ambitioniert in die Pedale. An einem Samstag Ende Mai sind Udo Selinger, der Wachenheimer Horst Rüffel und die Nordlichter Frank Dönselmann und Wolfgang Krupp in Nordenham gestartet, erzählt der 66-jährige Selinger gut gebräunt und ganz entspannt im Rückblick. Krupp habe auch die Idee für das Fahrrad-Abenteuer unter Männern gehabt, ergänzt Horst Rüffel (61). Allzu viel Zeit wollten sich die vier Freunde für die rund 700 Kilometer durch den deutschen Norden und den halben Südwesten nicht lassen. Schließlich stand schon eine Woche später die bei den Pfälzern sehr beliebte Erpolzheimer Spargelwanderung im Terminkalender. Dafür strampelten die Männer im Durchschnitt täglich 90 Kilometer. Am dritten Tag etwa fuhren die Radler von Recke über Ibbenbüren und Münster bis nach Nordkirchen. Die fünfte Etappe führte von Wuppertal über Leverkusen bis nach Bornheim. Am Kölner Dom legte das Quartett einen Zwischenstopp ein, um an der TV-„Tatort“-Imbissbude eine Currywurst zu schmausen. Übernachtet wurde jeweils in gebuchten Hotels, berichtet Selinger, dem einzigen E-Bike-Fahrer der Truppe. Der 66-Jährige hat sich zwar sehr gut von einem Schlaganfall erholt, den er vor rund sechs Jahren bei einem Urlaub im Norden erlitten hat. Aber bei längeren Radtouren über Berg und durch Tal – auch in der pfälzischen Heimat – schwört er auf etwas Unterstützung. Das habe sich auch bei der Tour bewährt, sagt der Vater von drei Kindern und Opa von fünf Enkeln. Wenn es mal sehr beschwerlich wurde, wie etwa im Bergischen Land bei Wuppertal, nutzten seine drei Freunde gerne seinen Windschatten aus. In der Fahrradstadt Münster warteten zwar viele gut ausgebaute Radwege auf die Pedalritter. Trotzdem kam das Quartett in der westfälischen Universitätsstadt nur sehr langsam voran: „Wegen der vielen Fahrradampeln“, klagt Selinger. Etwas Disziplin brauchten die vier Freunde durchaus, um pünktlich wie geplant wieder in der Heimat zu landen. Daher stand schon morgens um halb acht das Frühstück auf dem Programm. „Damit wir dann spätestens um 9 Uhr alle im Sattel saßen“, erklärt Horst Rüffel, der 40 Jahre lang als Koch bei der BASF gearbeitet hat und jetzt die Passivphase seiner Altersteilzeit genießt. Bei einem Durchschnittstempo von 20 Stundenkilometer waren die Männer dann bis zu einer kleinen Pause am Mittag unterwegs. Dann musste nicht nur der Akku von Udo Selingers E-Bike wieder aufgeladen werden. Ein großes Essen gab es jedoch erst am Abend. Von Nordenham bis nach Koblenz ließen sich die Radler dabei gern ein Bier schmecken. Denn erst in der Stadt am Rhein sei wieder guter Pfälzer Wein zu haben gewesen.

91-84797352.jpg
91-84797353.jpg
91-84797356.jpg
x