Ludwigshafen Nicht nur staubige Erinnerung

Erinnerungen weben auf ewig ein Band zwischen Menschen. Einmal im Jahr festigen fünf Männer und eine Frau ihres. Mit Musik. Als „Dusty Memory“, einst die Schulband des Max-Planck-Gymnasiums, stehen sie dann auf der Bühne. Diesmal bei der Friesenheimer Kerwe. Zwei von ihnen reisen für Proben und Auftritt extra aus Graz und Hennef an.

Der vollgestopfte Proberaum hat einfach einen gewissen Charme. Die alten Teppiche hat wohl irgendwer einmal aus Omas Besitz geerbt, die durchgesessene Couch auch. Hier und da steht eine leere Flasche in der Ecke. Die Poster von Bob Marley, Pearl Jam, Jimi Hendrix, AC/DC und Metallica an den Wänden erzählen von einer Zeit, in der Rock noch richtig groß war, und Nirvana-Frontmann Kurt Cobain hängt in gewohnt lässiger Pose mit Zigarette im Mund auf seine Gitarre gelehnt an der Wand. Und was noch viel wichtiger ist: Es ist laut. Dann eine Pause. Stille. Sofort sirrt es in den Ohren. „Soll ich dir mehr Zeit geben für dein Solo?“ Schlagzeuger Christian Mayer scheint Christian Forsthoff ein wenig aus den Gedanken zu reißen. Der Gitarrist schaut hoch. „Nein, das ist schon gut so.“ Im Proberaum im Kulturm in der Rollesstraße – er wird eigentlich von der befreundeten Band „Oceandrive“ genutzt – ist es stickig. In der Ecke rotieren die Blätter eines kleinen Ventilators unermüdlich und verschaffen doch keine Abkühlung. Und schon geht es weiter. Denn viel Zeit bleibt den sechs Musikern von „Dusty Memory“ an diesem Wochenende nicht. Sie haben nur noch anderthalb Probetage, dann muss alles sitzen für den Auftritt auf der Friesenheimer Kerwe. Mayer ist extra aus Graz angereist, Sänger Joachim Stengel aus Hennef. Die anderen vier Mitglieder wohnen noch immer in Ludwigshafen. Proben muss die Band aufgrund der Distanz komprimiert. Drei Wochenenden waren es diesmal, um nicht nur die alten, sondern auch ein paar neue Lieder einzustudieren. „Wir wissen, wie der andere tickt“, sagt Bassist und Keyboarder Michael Hilprecht. „Daher reichen wenige Proben, damit wir wieder zusammen spielen können.“ Das klappe sogar mit den selbst geschriebenen Titeln wie „Goodbye“, der für Friesenheim auf der Setliste steht. „Früher haben wir viele unserer Songs selbst geschrieben“, erzählt Stengel. Und da ist sie, die staubige Erinnerung, die „Dusty Memory“, an damals. Dass der Bandname von Nostalgie lebt, scheint im Fall der Musiker geradezu perfekt. „Wir waren blutjung, als wir uns den Namen gegeben haben“, erzählt Mayer. 15, um genau zu sein, damals, 1992 am Max-Planck-Gymnasium in Friesenheim. „Die Band war ein Novum. So etwas gab es vorher nicht“, erinnert sich Hilprecht, der mittlerweile als Lehrer an seiner alten Schule arbeitet. Seinem heutigen Kollegen und damaligem Lehrer Armin Ballweber habe die Band einiges zu verdanken. „Er hat uns von Anfang an unterstützt“, sagt Forsthoff. Ein paar alte Geschichten werden ausgekramt, die vom ersten Auftritt zum Beispiel. Der war am Tag der offenen Tür im Schulflur und muss grauenhaft gewesen sein. Schlechter Platz, miese Akustik, desinteressiertes Publikum. Zum Glück habe der zweite Auftritt eingeschlagen. Und ein späterer erst. Dem folgte nämlich eine Razzia in der Kneipe, in der „Dusty Memory“ spielte. „Die Bude war brechend voll“, erinnert sich Mayer. Die Leute hätten teils vor der Tür gestanden. Das habe die Polizei wegen Ruhestörung auf den Plan gerufen. Beim zweiten Besuch nach Ende des Auftritts in der Edigheimer Kneipe sei sie direkt mit dem Mannschaftsbus gekommen – und die Kneipe war danach nie mehr offen. Gitarrist Michael Sahm kennt diese Geschichte nur aus Erzählungen. Er ist mit 29 der Jüngste und erst seit acht Jahren dabei. Vorher hat die Besetzung immer mal wieder gewechselt. Einer, Michael Pfeiffer, steht zwar schon lange nicht mehr mit auf der Bühne, kümmert sich aber nun in Friesenheim um den Ton. „Es ist einfach schön mit den Jungs“, sagt Sängerin Deniz Güzelses, die Mayer und Forsthoff damals in der Musikschule kennengelernt hat und so zur Band kam. „Wir machen noch den gleichen Blödsinn wie vor 20 Jahren. Das hier ist für mich ganz viel Erinnerung.“ Ihre nackten Füße tanzen über den bunten Teppich, während sie im Duett mit Stengel singt. Hilprecht nickt im Takt der Musik, seine Finger gleiten über die Basssaiten. Mayer lässt ganz nebenbei die Drumsticks lässig durch die Finger kreisen, während Forsthoff und Sahm eher etwas schelmisch grinsen. Die stickige Hitze im Raum ist unwichtig, als ihre Version des Beastie-Boys-Hits „Fight for your right“ aus der Box dröhnt. Der war 1986 in den Charts, lange bevor es „Dusty Memory“ gab. Und unter den Augen von Kurt Cobain und Bob Marley ist die gute alte Zeit wohl doch noch nicht so angestaubt, wie manche immer meinen.

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