Ludwigshafen Nürnberg als Traumwelt

Die Neuinszenierung von Richard Wagners Spieloper feiert am Samstag Premiere.
Die Neuinszenierung von Richard Wagners Spieloper feiert am Samstag Premiere.

Mit Spannung wird der Neuinszenierung von Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ am Nationaltheater am Samstag entgegengeblickt. Denn das Mannheimer Publikum pflegte vor anderthalb Jahrzehnten ein intensives Verhältnis zu einer liebgewonnenen Inszenierung. Auch die Rezeptionsgeschichte des Stücks während der NS-Zeit ist heikel. In die Nationalismus-Falle wollen der Szeniker Nigel Lowery und Generalmusikdirektor Alexander Soddy nicht tappen.

Vor knapp anderthalb Jahrzehnten protestierte ein nicht geringer Teil der Mannheimer Opernfreunde heftig gegen die Absetzung vom Spielplan einer älteren Inszenierung. Es gelang damals auch, die geplante Neuproduktion in der Regie des Spaniers Calixto Bieito zu verhindern, der wegen seiner oft waghalsig unkonventionellen Entwürfe bekannt ist. Er wird jetzt übrigens am Nationaltheater Monteverdis „Marienvesper“ inszenieren, die am 15. Dezember Premiere feiert. Über die Bühne gingen die „Meistersinger“ schließlich in Jens Daniel Herzogs Arrangement, das gleich die Querelen um die Mannheimer Einstudierung mitthematisierte und das Stück in einem Museum spielen ließ. Andererseits stellt im deutschsprachigen Raum die Aufführungs- und Rezeptionsgeschichte des Stücks immer noch eine Belastung dar. Um Missverständnissen vorzubeugen: Musikalisch und theatralisch ist es ein jeder Bewunderung würdiges Gipfelwerk. Doch über ihre Funktion als Repräsentationsstück bei den Festen des NS-Staates, bei Reichsparteitagen und Führergeburtstagen sowie über einige für nationalistische Auslegungen geeigneten Textstellen wird nach wie vor diskutiert. Sogar Barrie Kosky, australisch-jüdischer Regisseur der aktuellen brillanten Bayreuther Inszenierung, ist im zweiten und dritten Akt voll in die Nazi-Falle hineingetappt, dabei hatte er im Vorfeld der Premiere erklärt, keinen Bezug auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts zu nehmen. In Frage steht heute außerdem die spätromantische musikalische Aufführungspraxis mit ihrem Hang zur Monumentalität, zu Pathos, Heroismus und zum Überschwang der Gefühle, die bei Wagner und speziell bei den „Meistersingern“ im frühen und mittleren 20. Jahrhundert stilbildend waren. Was hat also das englische Gespann Lowery / Soddy in Mannheim mit diesem in jeder Beziehung vielschichtigen Musiktheater vor? „In den ,Meistersingern` geht es um Kunst, nicht um Nationalismus“, erklärt Lowery. Und das „liebe Nürnberg“ von dem Schuster Hans Sachs in seinem Wahn-Monolog singe, sei „eine Traumwelt“. Man habe es mit einer Ensemble- und Spieloper zu tun, sagt der Regisseur. Die gelte es für ihn in Szene zu setzen. An politischen Bezügen zeigt er wenig Interesse. Die Konstellation: Wer den Wettkampf der singenden Handwerker gewinnt, darf Eva heiraten, die zwischen ihrer Zuneigung zwischen dem Schuster Hans Sachs und dem Ritter Walther hin- und hergerissen ist. Sixtus Beckmesser, der ebenfalls um Eva wirbt, „ist zu alt für Eva und kann das nicht einsehen, wegen seiner Eitelkeit und seinem Egoismus“, erzählt Lowery. „Sachs sieht das im Gegenteil zu ihm ein und auch, dass er kein so berufener Künstler ist wie Walther. Dieser stellt im Stück das Genie, den Künstler par excellence dar.“ In seiner Inszenierung will Lowery Altes und Neues miteinander kombinieren. So stehe der gotischen Katharinenkirche des ersten Akts das Renaissance-Milieu des zweiten entgegen. Für Soddy haben die kompositorischen Strukturen, von denen er „besessen“ sei Vorrang vor dröhnendem Pathos und Kraftakten. Auch sei etwa das Nürnberg-Motiv, so der Dirigent, zwar stolz, doch nicht wuchtig. Er liest seine Partitur sehr genau und nimmt die dynamischen Angaben extrem wichtig, auch solche, die in der landläufigen Aufführungspraxis oft unbeachtet bleiben. Instrumentalfarben sucht Soddy akribisch auszutüfteln, wobei er der Transparenz und Balance des Orchesterklangs absolute Priorität einräumt. „Fließend hat die Musik zu klingen“, sagt der Dirigent. „Es handelt sich um ein Konversationsstück bei den ,Meistersingern`. Und Wagners Humor soll auch zur Geltung kommen. Allerdings müssen sich die großen Apotheosen ebenfalls entfalten.“ Termine Opernpremiere „Die Meistersinger von Nürnberg“ am Mannheimer Nationaltheater am 28. Oktober, 16 bis 21.30 Uhr. Weitere Termine am 1., 10. und 25. November, am 20. und 26. Januar und am 2. Februar. Karten unter Telefon 0621 1680 150.

x