Ludwigshafen Mit Kunst gegen Krieg und Gewalt

Der libanesische Künstler Rabih Mroué ist gleich mit mehreren Arbeiten auf dem Festival „Theater der Welt“ in Mannheim vertreten. Seine Installation „Double Shooting“ begleitet die ganzen 17 Tage des Festivals. Einmalig hingegen waren die drei Vorstellungen der Performance „Riding On a Cloud“ mit seinem Bruder Yasser Mroué. Rabih Mroué geht es mit seinen Arbeiten darum, die Zuschauer zu erschüttern und zum Nachdenken zu bringen.

„Double Shooting“, die Installation an der Seitenfront des Nationaltheaters, ist aus Rabih Mroués Beitrag zur Kasseler Kunstausstellung Documenta 13 vor zwei Jahren hervorgegangen. Damals fertigte er aus Fotos, die während der Proteste und Demonstrationen gegen das Assad-Regime in Syrien mit Handys aufgenommen und ins Internet gestellt worden waren, Flipbooks oder Daumenkino-Heftchen an. Wer die Heftchen durchblätterte, machte sich unweigerlich die Hände mit Tinte schmutzig. „The Pixelated Revolution“ (Die Pixel-Revolution) nannte er seinerzeit noch hoffnungsvoll die syrische Aufstandsbewegung im Zuge des Arabischen Frühlings. Inzwischen sind die mit ihr verbundenen Hoffnungen bekanntlich in einem grausamen Bürgerkrieg untergegangen. Mit seinem Documenta-Beitrag wollte Rabih Mroué zum Ausdruck bringen, dass niemand saubere Hände hat, dass niemand sich unschuldig fühlen kann. Und der Künstler wollte den Betrachter aus seiner bloß kontemplativen Rolle holen, ihn einbeziehen, so dass ihm die Bilder unter die Haut gehen. Dieses Ziel verfolgt auch „Double Shooting“. Wer an der Galerie von 72 Standbildern auf einer Strecke von etwa 50 Metern am Nationaltheater schnell genug vorbeiläuft, sieht aus der Perspektive einer Kamera, wie ein Scharfschütze mit einem Gewehr hinter einer Deckung hervorkommt, auf ihn anlegt, einen Schuss abgibt und der Film abbricht, weil der „Filmende“ getroffen zusammenbricht. Den Parcours begleitet das Geräusch von Schüssen. Die Begegnung Auge in Auge mit einem Scharfschützen ruft bei dem Betrachter trotz seines Wissens, dass es sich nur um ein nachgestelltes Szenario handelt, ein etwas mulmiges Gefühl hervor. Rabih Mroué ist im Bürgerkriegsland Libanon aufgewachsen. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Yasser wurde im Alter von 17 Jahren tatsächlich von einem Scharfschützen aus einem Hochhaus angeschossen. Die Kugel durchschlug die rechte Seite des Schädels, der Schwerverletzte wurde mehrmals operiert und brauchte Jahre, bis er sich erholt hatte. Völlig wiederhergestellt ist selbst der inzwischen 45-Jährige noch nicht. Dem Bruder hat Rabih die Performance „Riding on a Cloud“ gewidmet. Darin erzählt Yasser Mroué die Geschichte seiner Genesung anhand von Video-Filmen und kommentiert sie mit Gedichten. Das Attentat wurde am 27. Februar 1987 auf offener Straße in Beirut verübt. Am selben Tag wurde auch Rabih und Yasser Mroués Großvater, der in der gesamten arabischen Welt bekannte Intellektuelle Hussein Moroo’ah, in seiner Wohnung durch einen Schuss bei aufgesetztem Schalldämpfer ermordet. Der 80-Jährige war der Sohn eines Scheichs und Marxist geworden. Er schrieb Bücher über materialistische Tendenzen in den Philosophien des Islam. Rabih Mroués Mutter jedoch ist nicht, wie dies im Internet fälschlich verbreitet wird, als Kämpferin im Bürgerkrieg gefallen. Auf diese Richtigstellung legt Rabih Mroué Wert. Dennoch haben die Kriegserfahrungen in seiner Kindheit und Jugend ihn geprägt. Er war auch schon bei „Theater der Welt“ 2002 im Rheinland dabei, als ebenfalls Matthias Lilienthal der Leiter war. Zuvor hatte der Organisator in Brüssel Mroués Performance „Three Posters“, künstlerische Reflexionen zu dem Bekenner-Video eines libanesischen Widerstandskämpfers, gesehen und ihn zu dem Festival eingeladen. Seitdem sind die beiden befreundet. Ihm gehe es mit seiner Kunst nicht darum, ein Bürgerkriegstrauma zu bewältigen, betont Mroué. Ihm gehe es auch nicht darum, Mitleid zu erregen. Ihm gehe es vielmehr darum, seine Zuschauer zum Nachdenken zu bringen, um weitere Kriege zu verhindern. Auch wenn er nicht glaubt, dass Kunst in dieser Hinsicht allzu viel auszurichten vermag. „Ich übermittle keine Botschaft und gebe keine Lösungen. Ich stelle meine Fragen und meine Zweifel dar“, sagt er. „Die Zuschauer sollen Gründe verstehen. Jeder Krieg hat spezifische Gründe. Ich spreche das Publikum dabei nicht als Masse an, sondern ich wende mich an Individuen. Das ist respektvoller.“ Im Libanon wurde vor ein paar Jahren eine seiner Arbeiten verboten. Die Performance „How Nancy Wished That Everything Was an April Fool’s Joke“ (Wie Nancy sich wünschte, dass alles nur ein Aprilscherz war) blickte in Episoden auf den 15 Jahre währenden libanesischen Bürgerkrieg aus der Sicht von Kämpfern zurück. „Der Krieg wird heute mit Schweigen übergangen“, sagt Mroué. „Und die für den Krieg verantwortlich waren, sind wieder an der Macht.“ Und der Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien sei dabei, auf den Libanon überzugreifen.

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