Ludwigshafen Lässige Dialoge

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Zwei Musiker, viele Instrumente, eine puristische Musikauffassung und etwas Humor: Das Ditzner Lömsch Duo hat sein zweites Album veröffentlicht. Neben eigenen Stücken finden sich da auch ein paar Jazzstandards, natürlich in ganz eigener Weise interpretiert. Das hört sich überraschend und originell an und ist wie gewohnt alles ohne Aufnahmetricks in einem Take eingespielt. Selten hat Avantgardejazz so viel Groove und Coolness wie bei Erwin Ditzner und Lömsch Lehmann.

Den Anfang macht Yusef Lateefs „Morning“, eine wunderbar schläfrige Ballade aus den 1950ern. Ditzner und Lehmann haben Melodie und Rhythmus bis auf die Knochen abgenagt, die Trommel ebnet den Weg, das Saxophon schleicht sich dazu wie ein Langschläfer, der in der Küche nach einer rettenden Tasse Kaffee sucht. Lehmann erprobt mulmige Growleffekte, erlaubt sich als Weckruf ein paar obertonflirrende Freiheiten, bis aus dem verschlafenen Vormittag ein hellwacher Tag geworden ist. Ähnlich machen es die beiden mit Charlie Parkers „Chi Chi“, einer fröhlich hüpfenden Bebop-Petitesse von 1953, die nun einen ulkigen Swingbeat aus Lehmanns Elektroorgel bekommt. Den Off-Beat steuert Ditzners Hi-Hat bei, dazu groovig zerkaute Melodiefetzen auf dem Saxophon. Die grummeligen Vokalsounds stammen aus einem Charlie-Parker-Interview, auch dies live ins Musikgeschehen eingefügt. Bei dem Jazzrockstück „Circle in the Round“ von Miles Davis setzt Ditzner seine elektrische Zither ein, die mit Trommelstöcken bearbeitet wird und wie eine Mischung aus Schlagwerk und E-Gitarre klingt. Seit acht Jahren machen der Ludwigshafener Erwin Ditzner (55) und der in Speyer heimische Lömsch Lehmann (50) gemeinsame Sache. Beide haben ganz klassisch an Hochschulen studiert, Ditzner Schlagwerk in Wiesbaden, Lehmann Klarinette in Mannheim. Bei Ditzner führte der Weg erst mal zu Rockbands wie Guru Guru und Sanfte Liebe, es folgte Weltmusik und jede Menge Jazz mit prominenten Partnern wie Alexander von Schlippenbach, Marilyn Crispell oder Elliot Sharp. Lehmann nahm zur Klarinette das Saxophon hinzu und gehörte schnell zur Jazzavantgarde, etwa zur Gruppe Underkarl. Bei der Mardi Gras Brass Band haben die beiden zusammengespielt, 2008 dann das Ditzner Lömsch Duo gestartet mit dem Debütalbum „Schwoine“. Weil beide musikalisch viel anderes machen, gab es in der Folgezeit zwar immer wieder gemeinsame Probenphasen und Auftritte, aber erst jetzt ein zweites Album. „Wir wollten uns diesmal nicht so exaltiert dem Free Jazz hingeben“, sagt Erwin Ditzner zum Konzept des schlicht „II“ betitelten Albums. „So etwas wie kontrollierte Ekstase war unser Ziel.“ Sehr kontrolliert, fast unterkühlt geht es etwa bei Lehmanns „Isor“ zu, eine skandinavisch-dunkle Ballade, bei der Ditzner die sanften Saxophonlinien mit den vibrierenden Tieftönen seiner Obertontrommel grundiert. Ein Gemeinschaftswerk ist das munter Stück „Jailhouse“, hier kommt es zu einem lustigen Rollentausch: Lehmann belässt es jetzt bei einem vibrierenden Grundton, während der quirlige Ditzner mittels Elektro-Zither und diverser Percussionsgeräte Melodie und Rhythmus praktisch alleine erledigt. Das Album ist nur schlanke 38 Minuten lang und passt damit problemlos auf die beiden Seiten der Vinyl-Platte. Auch der CD spendierte man eine etwas größere Hülle, was dem wirklich coolen Coverfoto sehr zugute kommt. Lehmann und Ditzner sitzen in leichtem Sommeranzug an einem verlockenden Strand und jammen entspannt unter dramatischem Himmel, auf der Snaredrum eisgekühlte Drinks. Was nach Südfrankreich und Atlantik aussieht, ist aber bloß die große Sanddüne bei Speyer. Wie gesagt, Humor haben die beiden auch. CD-Tipp Ditzner Lömsch Duo „II“, Fixcel Records, LP oder CD, www.fixcelrecords.de

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