Ludwigshafen Jede kleine Geste zählt

„Mein Papa war sieben Jahre traumatisiert bis zu meiner Geburt.“ Dieser Satz fiel am Ende einer Unterrichtsreihe zu Edith Stein in einer fünften Klasse. Es ging um die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und die Folgen, die die Überlebenden auszuhalten hatten. Ein Blick in den Kalender zeigt die Verbindung zwischen diesem Satz und meinem Beitrag: Am 8. Mai jährte sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 69. Mal. „Traumatisierung“ oder „posttraumatische Belastungsstörung“ waren in den Nachkriegsjahren keine gängigen Begriffe für die Erfahrungen, die Kriegsheimkehrer belasteten. Im allgemeinen Wiederaufbauschub war nicht unbedingt Platz für sich ständig wiederholende Erzählungen der Männer über Gräueltaten, die sie erlebt hatten oder an denen sie beteiligt waren. Frauen hatten es noch schwerer. Schweigen wurde als Mittel der Bewältigung eingesetzt, um in die Normalität zurückzufinden. Diese Strategie konnte für viele Betroffene lebenslange belastende Folgen haben. Zurück zu meiner ehemaligen Schülerin. Ihr Vater war Soldat im zerfallenden Jugoslawien. Damit kommen die militärischen Konflikte der jüngeren Vergangenheit und der Gegenwart in den Blick. Derzeit gibt es Bundestagsmandate für bewaffnete Auslandseinsätze der Bundeswehr in zehn Ländern. Ich möchte den 8. Mai zum Anlass nehmen, auf die Folgen von Kriegen für jeden betroffenen Menschen aufmerksam zu machen. Zu diesem Personenkreis gehören neben den deutschen Soldaten im Auslandseinsatz auch die Menschen, die in unser Land aus Kriegsgebieten fliehen. Schätzungen gehen davon aus, dass 40 Prozent der Flüchtlinge unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Sie leiden unter Symptomen wie dem ungewollten Wiedererleben der traumatisierenden Situation beispielsweise in Alpträumen, an emotionaler Taubheit und Teilnahmslosigkeit. Hier schließt sich der Kreis. Das sind Verhaltensweisen, die die älteren Bürger Ludwigshafens noch aus ihrer Kindheit und Jugend im Zweiten Weltkrieg kennen oder vielleicht selbst durchmachen mussten, die die Töchter und Söhne der mittleren Generation im familiären Umfeld erleben konnten. Es sind auch Symptome mit denen Familien von Soldaten heute umgehen müssen. In Ludwigshafen werden mehrere Hundert Flüchtlinge aus Bürgerkriegsgebieten erwartet. Viele brauchen wie die Soldaten professionelle Hilfe zur Bewältigung ihrer Erlebnisse. Für die gastfreundliche Aufnahme können alle sorgen. Ganz nach dem Leitwort, das sich der Pfarrgemeinderat von St. Josef und St. Gallus bei der Klausurtagung gegeben hat: Jede kleine Geste zählt! (Archivfoto: Lenz)

x