Ludwigshafen Herz- und Beinbruch

Geschichten aus dem Leben: Olli Schulz in Mannheim.
Geschichten aus dem Leben: Olli Schulz in Mannheim.

Das Konzert war lange ausverkauft, als Olli Schulz entschied, die Stühle rauszuschmeißen. „Mir ist aufgefallen, wir sind ja ’ne Rockband“, begründete der Hamburger Entertainer und Musiker seine Umräum-Aktion. Mit dem neuen Album „Scheiß Leben, gut erzählt“ im Gepäck ist er auf Tour und machte Station im Mannheimer Capitol.

„Zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder mit Band auf Tour!“, freute er sich und erklärte seine Vielzahl außermusikalischer Aktivitäten zu „unwichtigen Nebenjobs“: die erfolgreichen Radio-Podcasts und die Fernseh-Talkshow an der Seite von Jan Böhmermann, seine eigene Sendereihe „Schulz in the Box“ und nicht zuletzt seine populäre Rolle als geschäftiger Sidekick von Joko und Klaas im öffentlich-rechtlichen „neo paradise“ wie im privaten „Circus HalliGalli“. Diese und weitere Auftritte in den Medien machten ihn vor allem bei der jüngeren Generation bekannt, doch Musiker war und ist Olli Schulz zuallererst. 2009 erschien sein Debütalbum „Es brennt so schön“, das auch den Titel „Mach den Bibo“ enthielt, mit dem Schulz am Bundesvision Song Contest teilnahm. Bis heute erschienen drei weitere Alben, zuletzt im Februar „Scheiß Leben, gut erzählt“, das es auf Platz sechs der deutschen Album-Charts schaffte. Und noch vor seiner Solo-Karriere bildete der omnipräsente Musiker die Hamburger Indie-Rock-Band Olli Schulz und der Hund Marie, mit Tomte-Keyboarder und Schlagzeuger Max Schröder, der nun mit der E-Gitarre auf der Bühne des Capitol stand. Ergänzt um Isa Poppensieker am Bass, Keyboarder Arne Augustin und Schlagzeuger Ben Lauber, boten sie einen Querschnitt durch Schulz` Schaffen, vom Debüt „Brichst du mir das Herz, dann brech’ ich dir die Beine“ bis zur aktuellen CD, mit einem Schwerpunkt auf den drei jüngsten Soloalben. Charterfolge wie „Mach den Bibo“ oder den „Rangel Song“, Ergebnis einer Zusammenarbeit mit Joko und Klaas, schenkte sich die Band, die stattdessen auf die jüngsten Singles „Phase“ und „Schockst nicht mehr“ setzte. Anders als auf Platte sind dies live wunderbar minimalistische Indie-Rock-Nummern. Ähnlich druckvoll gelang „Wenn die Music nicht so laut wär` (wär` sie auch nur halb so schön)“, dazwischen viel humoristischer, ironischer Metapop, mit mal kalauernden, mal poetischen Texten, dabei authentisch und so individuell und ambivalent wie Schulz’ komplette Medienpräsenz. Selbstverständlich erzählte Showman Schulz zwischen den Liedern immer wieder launige Anekdoten und Geschichten aus dem eigenen Leben, schwankend zwischen ernst und lustig wie die Texte seiner Songs. Zum Beispiel die Geschichte von seiner achtjährigen Tochter, deren neue Luftballons er zerstören musste, weil auf ihnen der AfD-Schriftzug prangte: „Erklär’ das mal deinem Kind!“ Der 44-Jährige tanzte in der Menge mit dem Publikum, erwies Verstorbenen wie Nils Koppruch und Tom Petty seine Referenz, schwärmte von seiner Liebe zur Musik und erklärte: „Alles, was ich will, ist Musik machen für Leute, die sich unterhalten fühlen wollen.“ In Mannheim machte der Hamburger, der mittlerweile in Berlin lebt, eine „beschwingte Grundstimmung“ aus, „aber nicht so hupfdohlen- und köln-mäßig. Ich habe diese Stadt lange unterschätzt.“

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