Ludwigshafen Fröhliches Fest, ernste Themen

91-76925511.jpg

Gut die Hälfte ihrer 26-minütigen Rede hat Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) gestern Abend beim Neujahrsempfang der Stadt im Pfalzbau dem Thema Flüchtlinge gewidmet. Ihre Botschaft: Die Menschen, die bleiben werden, gilt es schnellstmöglich zu integrieren.

Als sich die Ludwigshafener vor einem Jahr im Pfalzbau trafen, um 2015 zu begrüßen, standen alle noch unter dem Eindruck des Attentats auf die „Charlie Hebdo“-Redaktion. Gestern Abend waren viele der 1200 Besucher noch schockiert über den Selbstmordanschlag in Istanbul, bei dem zehn Deutsche ums Leben gekommen sind. „Wir wissen, dass es ein Anschlag auch auf unsere Freiheit, auf unsere Art zu leben war“, sagte Eva Lohse. „Aber wir dürfen und wir werden uns von Terroristen nicht vorschreiben lassen, wie wir leben wollen.“ Ein Satz, der mit Applaus bedacht wurde. In ihrer Neujahrsansprache thematisierte die Oberbürgermeisterin vieles, was in ganz Deutschland in den vergangenen Monaten die Diskussion beherrscht hat: die Aufnahme von Flüchtlingen und die damit verbundenen Herausforderungen, die notwendige Integration der neuen Mitbürger, die Hilfsbereitschaft, aber auch die Ressentiments in der Bevölkerung. „Der Zustrom von Flüchtlingen in unsere Städte muss verringert und wirksamer gesteuert werden“, sagte die 59-Jährige, die am Samstag in einer Woche ihren runden Geburtstag feiert. Mit der Integration derjenigen, die eine Bleibeperspektive haben, müsse so früh wie möglich begonnen werden. Dafür brauche Ludwigshafen eine stärkere finanzielle Unterstützung durch Bund und Land. Die Stadt gebe derzeit etwa 60 Millionen Euro für Flüchtlingsunterkünfte aus – ohne die Kosten erstattet zu bekommen, wie Lohse in Anwesenheit der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) und der Oppositionsführerin im Landtag, Julia Klöckner (CDU), betonte. Den „Dialog in der Stadtgesellschaft“ über das Thema Flüchtlinge bezeichnete Lohse als „sehr offen“. Neben Kritik habe sie in Bürgerforen auch konstruktive Vorschläge gehört. Und, wieder von Beifall begleitet: „Wir haben auch deutlich gemacht, dass für Fremdenfeindlichkeit und rechtsradikales Gedankengut in unserer Stadt kein Platz ist.“ Dieser offene Umgang müsse beibehalten werden. Es müsse unmissverständlich klar sein, „dass kriminelle Vorgänge wie in Köln von unserem Staat und von unserer Gesellschaft nicht toleriert werden“. Teil zwei ihrer Rede widmete Lohse der Ludwigshafener Stadtentwicklung. Vor dem Abriss der Hochstraße Nord, der 2018 beginnen soll („So ist der aktuelle Planungsstand“) wolle die Stadt alle größeren Reparaturen im Straßennetz erledigen. Der Bürgerdialog zur „City West“ solle fortgesetzt werden. Am 25. Januar werde der öffentliche Nahverkehr Thema im Stadtrat sein: Gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen habe die Stadt „ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorbereitet, das von der Verbesserung bestehender Linien bis zur Errichtung von neuen Linien reicht“. Beim Thema Innenstadt gab sich die OB verhalten optimistisch: An Stelle der abgerissenen „Tortenschachtel“ werde ein markanter Neubau entstehen. Durch den Umbau des ehemaligen Kaufhofs in der Bismarckstraße zum Bürogebäude und Kundenzentrum der Technischen Werke (TWL) könnten deren Kunden und Mitarbeiter „zu einer potenziellen neuen Laufkundschaft für die Geschäfte und die Gastronomie in der Innenstadt“ werden – bei diesem Satz ging ein lautes Raunen durch das Publikum. Es sei gelungen, so Lohse nach einem kurzen Moment der Irritation, das sanierungsbedürftige Rathaus zu erhalten und Ersatzflächen für die Mitarbeiter zu beschaffen – ebenfalls zugunsten der Innenstadt. Durch den Ausbau der Kinderbetreuung sei die Zahl der Kita- und Krippenplätze in der Stadt von 5400 auf 6600 erhöht worden. Allein in den städtischen Einrichtungen seien fast 200 zusätzliche Erzieherstellen besetzt worden. Im Jahr 2016 solle auch die Lebensqualität in den Stadtteilen wieder stärker in den Fokus rücken, kündigte Lohse an. „Das Leben im Stadtteil mit seinen gewachsenen Strukturen und realen – nicht virtuellen – sozialen Netzwerken gibt vielen Bürgern in unserer globalisierten und schnelllebigen Welt so etwas wie Heimat und Geborgenheit.“ Wichtig für die Lebensqualität seien Einkaufsmöglichkeiten, die ärztliche Versorgung und die Gestaltung des öffentlichen Raums. Einiges erwähnte Lohse in ihrer Rede auch nicht. Das 150. Jubiläum der BASF zum Beispiel. Oder das neue Hochhaus des Chemiekonzerns, das zumindest vorerst nun doch nicht gebaut werden wird.

x