Ludwigshafen Erotisches Gewimmel

Er nennt sich Otgo, aber in Wirklichkeit heißt er Otgonbayar Ershuu. In seiner mongolischen Heimat ist der Maler ein Star, in seiner Wahlheimat Berlin arbeitet er zielstrebig an einer internationalen Karriere. Die Galerie Peter Zimmermann in Mannheim stellt den bemerkenswerten Künstler in einer Einzelausstellung vor.

Otgo ist erst 33 Jahre alt, ein kleiner, rundlicher und eher unscheinbarer Mann, aber ziemlich ausgebufft, was die prestigeträchtigen Auftritte betrifft. Auf Fotos sieht man ihn mit allen nur erdenklichen Größen, kulturellen und politischen, den aktuellen Bundespräsidenten eingeschlossen. Seit 2005 lebt der in Ulan Bator geborene Tausendsassa in Berlin, gründete dort 2010 eine Galerie und machte nebenbei noch einen Master of Arts. In seiner Heimat errang er den Titel eines „Best Mongolian National Talent“ und galt als echtes Wunderkind. Seine erste Einzelausstellung hatte er bereits mit 15, der erste internationale Auftritt folgte mit 20. Dazwischen gab es noch ein Studium der traditionellen mongolischen Malerei, anschließend war er als Maler tätig, als Restaurator und als Forschungsreisender zu den historischen Stätten des Landes. In buddhistisch-lamaistischen Klöstern erarbeitete er sich die verschiedenen Techniken und die Ikonografie der Miniaturmalerei und deren spirituellen Hintergründe. 900 Beispiele der alten Thangka-Malerei hat er geschaffen. Diese kleinen (Gottes-) Bilder müssen ohne abzusetzen, sozusagen in einem Arbeitsschritt gemalt werden. Wichtig, so der Künstler, ist die Haltung des Malers: „Tangka-Malerei bedeutet, dass der Geist malt, nicht die Hände, wie Meditation schenkt sie neue Kraft und Energie“. Ein frommer Mensch (er sagt es selbst) ist Otgonbayer Ershuu aber nicht. „Tsenher Ulaan“ (dröhnende Hufe) titelt die Ausstellung in der Galerie Zimmermann – eine Anspielung auf die Tatsache, dass bei den pferdenärrischen Mongolen die Kinder reiten lernen, bevor sie laufen können. Sie versammelt aktuelle Großformate, in denen der Maler fast idealtypisch vorführt, wie die Begegnung von traditioneller mongolischer Miniaturmalerei und westlicher Ausstellungskunst aussehen kann. Aus der Distanz wirken die Bilder wie ein starkfarbig-monochromes, rhythmisch durchorganisiertes Stoff- oder Tapetenmuster, das von vertikal verlaufenden Farbschlieren überlagert wird. Aus der Nähe sind es plötzlich paradiesisch anmutende Landschaften mit Pferden und Menschen. Auffällig die stark erotisierten, kleinteiligen Bildthemen, die wiederum in einer engen Beziehung zum mongolischen Glauben stehen. Pornografisch ist das Menschengewimmel aber nicht. West oder Ost? Angesichts der Bilder des cleveren Selbstvermarkters scheint die Frage am Ende ziemlich müßig, auch die nach dem Verhältnis von Abstraktion und figurativer Erzählung. Die passen bei Otgonbayer Ershuu zusammen wie Handschuh und Hand. Insofern: Eine interessante Begegnung erstmal.

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