Ludwigshafen Erfolgreich experimentiert

Ihre Musik lockt junge Menschen in die Oper: Björk.
Ihre Musik lockt junge Menschen in die Oper: Björk.

Auf der Opernbühne war „Vespertine“ ein Riesenerfolg. Nun ist die Musik der Nationaltheater-Produktion auch auf CD erschienen und kann weltweit über die bekannten Streamingdienste gehört werden. Die Mannheimer Oper wagt sich mit dem auf einem Popalbum der isländischen Sängerin Björk basierenden Projekt auf Neuland. Und natürlich hat man damit auch das junge Publikum im Blick.

„Das war ein großes Experiment“, sagt Jan Dvorak, der für das Projekt verantwortliche leitende Operndramaturg. „Wir wollten unser Repertoire erweitern, hatten das Gefühl, dass die Musik der Moderne noch nicht ausreichend definiert ist mit Rihm, Lachenmann und der Neuen Musik. Pop war bislang ausgeschlossen aus dem Bühnenbereich.“ Also machte man sich auf die Suche nach einer passenden Vorlage für eine Opernproduktion, suchte nach einer Musik, bei der die Stimme „nicht groovebetont eingesetzt wird“, so Dvorak, und sich deshalb für die Arbeit mit Opernsängern eignet. Da stieß man dann auf Björk und ihr 2001 erschienenes Album „Vespertine“. Denn das war von Anfang an klar: Es sollten Opernsänger zum Einsatz kommen und das Nationaltheaterorchester mit seinem üblichen Instrumentarium spielen. Für die elektronischen Sounds, die das Album prägen, sollten akustische Entsprechungen gefunden werden. Auch Björks schwebende Gesangslinien, die oft in Mehrspurtechnik übereinander geschichtet sind, wollte man in klassischen Operngesang übertragen. Am Ende wurde der Gesang auf mehrere Stimmen aufgeteilt, auch ein Kinder- und ein Erwachsenenchor kamen zum Einsatz. „Wir haben bei all dem keine Note verändert“, versichert Dvorak, der selbst als Komponist arbeitet und die Partitur mit seinen Kollegen Peter Häublein und Roman Vinuesa in mühevoller Arbeit erstellt hat. Noten gab es nicht, alles musste vom Album transkribiert und in eine sing- und spielbare Partitur umgesetzt werden. Das scheint ihnen gut gelungen zu sein. Gesangssolisten, Chorsänger und Orchestermusiker fanden zu Beginn der Probenarbeit Notenblätter vor, mit denen sich wie gewohnt arbeiten ließ. Eine übliche Opernhandlung sollte es nicht geben, man suchte stattdessen nach einer optischen Umsetzung der in den Björk-Songs geschilderten Gefühlswelt einer Frau. Das übernahm die dänische Künstlergruppe Hotel Pro Forma, die aus der Mikrobiologie fantastisch-poetische Bilderwelten generierte und damit Björks Absicht, verborgene Prozesse der Natur hörbar zu machen, optisch ganz nahe kam. Die Aufführungen übertrafen alle Erwartungen. Die meisten der sieben Vorstellungen waren ausverkauft, mehr als 7000 Besucher kamen. Für Dvorak erfüllte sich die Hoffnung, neben dem traditionellen Opernpublikum auch junge Menschen zu erreichen, die sonst kein Opernhaus betreten: „Das hatte schon Ausnahmecharakter.“ Dass es nun die Mannheimer Björk-Oper als Livemitschnitt auch auf CD und über die Streamingportale gibt, zielt ebenfalls auf junge Musikfans. Die Idee, herausragende Produktionen der Mannheimer Oper und ihres Orchesters auf Tonträger festzuhalten, ist unabhängig davon entstanden. Die brachte der geschäftsführende Intendant Marc Stefan Sickel mit nach Mannheim. Auf der neuen „Edition NTM“ sollen beim Label OehmsClassics in unregelmäßigen Abständen CDs erscheinen. „Nach dem Uraufführungserfolg von ,Vespertine’ hielten wir diese Produktion für den perfekten Auftakt der Reihe“, so Dvorak. Diese sei auch eine „Liebhaber-Edition“ für Leute, die Einspielungen unterschiedlicher Opernhäuser vergleichen, räumt der Dramaturg ein. Im Falle von Björks „Vespertine“ hofft man nicht nur auf regionales, sondern „weltweites Interesse“. Was als nächstes kommt, steht noch nicht fest. In der Planung für die „Edition NTM“ sind unter anderem Messiaens „Turangalila Sinfonie“ sowie die Opern „Parsifal“ und „Elektra“. Wird es auch eine weitere Opernadaption aus dem Bereich des Pop geben? Natürlich würde man gern an den Erfolg anknüpfen, sagt Dvorak. Aber dafür müsse man erst einmal ein geeignetes Album finden. Es klingt, als sei er schon fleißig auf der Suche. CD-Tipp „Vespertine“, Oper nach Björks gleichnamigem Album, erschienen als CD bei OehmsClassics sowie bei den bekannten Streaming- und Onlinediensten.

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