Ludwigshafen Einmal mit Profis arbeiten

Rund 620 Schüler des Max-Planck-Gymnasiums füllen die Friesenheimer Friedenskirche zusammen mit den Profis des SWR-Vokalensemble
Rund 620 Schüler des Max-Planck-Gymnasiums füllen die Friesenheimer Friedenskirche zusammen mit den Profis des SWR-Vokalensembles mit harmonischen Weihnachtsklängen.

Das Konzert beginnt erst in einer Stunde, dennoch ist die Friedenskirche bereits „rappelvoll“, freut sich Dirigent Hannes Reich. Kein Wunder, denn die „Zuhörer “ gehören heute zu den Hauptprotagonisten. Rund 620 Schüler des Max-Planck-Gymnasiums (MPG) haben sich an diesem Donnerstagmittag eingefunden, um mit dem SWR-Vokalensemble das Mitsingkonzert „Come and Sing Christmas Carols“ zu feiern. Bevor es richtig losgeht, bittet Reich zum Aufwärmprogramm: „Mit der rechten Hand den linken Arm wachschlagen“, leitet er die Schüler an. Weiter geht’s mit Beineschütteln, Stirnstreicheln sowie einer Schläfen-Massage. Und damit dann auch alles perfekt funktioniert, folgen zum Abschluss stimmtechnische Übungen. Es geht ein „Mmhm“ durch den Saal der Friedenskirche, kurz darauf folgt ein lautes, ansteigendes „uuaaah“ sowie ein „uiuiuiuiuiui“. Bereits jetzt wird deutlich, dass die Schüler Spaß an diesem Projekt haben. Nach dem rollenden „R“ fordert der Tenor lautstark ein kräftiges „N“, das nicht lange auf sich warten lässt. Dirigent Reich ist bereits beim Einsingen in seinem Element, er greift immer wieder ein, um letzte Feinjustierungen vorzunehmen, „denn wir haben ja nicht viel Zeit“. Er fordert „mehr Ansprache ans Ensemble“, erklärt den Schülern, worauf zu achten ist: „Aufrecht sitzen, dass sich die Stimme komplett entfalten kann.“ Dann hat er noch einen guten Tipp parat: „Haltet den Schlusston, bis ich das Ende anzeige, dann kommt ihr auch nicht in Verlegenheit zu reden.“ Es ist überhaupt erst die zweite gemeinsame Probe der Schüler mit den Profis. „Wir haben vor zwei Wochen das erste Mal zusammen geprobt“, berichtet Reich. Die größte Herausforderung sei gewesen, den Schülern Mut zu machen, vor ihren Klassenkameraden zu singen. „Da muss man hartnäckig sein.“ Ist die Hemmschwelle aber überwunden, sei einiges möglich. „Dann wird punktuell etwa auf die Aussprache, das Tempo und den Text geachtet.“ Ohne die Schule würde aber nichts gehen, betont Reich. Schließlich haben die Schüler mit ihren Musik- und Englischlehrern viele Übungsstunden verbracht, um die englischen Weihnachtslieder einzustudieren. Gefallen hat dies der Zwölftklässlerin Lara Schneider (18): „Es war eine tolle Gemeinschaft, vor allem durch die klassenübergreifenden Proben sind wir auch enger zusammengerückt.“ Das Gefühl hatte auch Schulleiter Mike Thisling-Pfeifer: „Wenn man durch das Schulhaus gelaufen ist, hat man die Begeisterung gespürt, aus den Klassenzimmern waren die Lieder zu hören“, freut sich der Chorfan. Bis zum Konzert ist noch eine Viertelstunde Zeit. Die Kirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Neben den Schülern und Lehrern ist der Schulelternbeirat eingeladen. „Für mehr war leider kein Platz“, sagt Thisling-Pfeifer. „Das Konzert ist eigentlich ein Abendprogramm des Ensembles“, berichtet Musikvermittlerin Birgit Rismondo vom SWR. Die Idee sei gewesen, einen Teil davon mit leichten Carols zu ergänzen und ein Projekt im Sendegebiet zu machen. Bewerben konnten sich weiterführende Schulen aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Das MPG hat als einzige Schule den Zuschlag für die Premiere des Projekts im Land bekommen. Am Tag zuvor wurde dasselbe Konzert mit Schülern in der Stuttgarter Liederhalle präsentiert – und anders als das Konzert in der Friedenskirche live aufgenommen. „Es geht darum, die Schüler für Musik zu begeistern, indem sie nicht nur zuhören, sondern auch mitmachen“, sagt Rismondo. Das Konzept des Konzerts ist simpel: Das Ensemble singt 14 Titel abwechselnd alleine oder mit den Schülern. Tosender Beifall dann, als die 29 Sängerinnen und Sänger um 13 Uhr mit Reich einmarschieren. Das Ensemble gibt „Adam Lay Y Bounden“ zum Besten. Die Schüler hören gespannt zu, keiner spricht mehr. Und nur wenige Minuten später ist es dann soweit, beim Kanon „Begin, Begin My Singers All“ haben sie ihren ersten Auftritt. Voller Elan steigen die Fünft- bis Zwölftklässler ein. Reich hält es während des Konzerts nicht oft auf seinem schwarzen, viereckigen Podest. Immer wieder wandert er nach rechts und nach links, um nah an den Schülern zu sein. Im Stile eines „360-Grad-Dirigenten“ wechselt er gekonnt zwischen den Profis und Nachwuchssängern. Gefällt ihm etwas, geht dem Sieger des Deutschen Chordirigentenpreises 2016 ein Lächeln über die Lippen, er streckt auch mal beide Daumen gen Empore. Das Lieblingslied des 16-jährigen Lukas Rudnick (12. Klasse) folgt bereits an dritter Stelle. „Das tolle an ,In The Bleak Midwinter’ ist die Mehrstimmigkeit, außerdem klingt es so harmonisch.“ Während die Schüler schweigend genießen, wenn das Ensemble singt, wird es enorm laut, wenn sie einsteigen. Die Akustik ist toll. Reich applaudiert dem XXL-Chor zum Vortrag des Midwinter-Carols. Die Jacke hat in der ungeheizten Kirche kaum noch jemand an. Rudnick gefällt, dass alle Lieder einfach mitzusingen sind. Derselben Meinung ist Norwin Ibrom (17). „Super war auch, mit den Profis zusammenzuarbeiten, das hat das Projekt ausgemacht“, sagt der Zwölftklässler. Zudem habe er das Gefühl gehabt, dass alle mitgerissen wurden. Diese Begeisterung kann Armin Ballweber bestätigen. Der Musiklehrer war die treibende Kraft für die Bewerbung beim SWR-Projekt. „Wenn ich morgens mit dem Fahrrad zur Schule gefahren bin, habe ich an den Bushaltestellen unsere Schüler die Carols singen hören“, freut er sich. Und manche hätten sogar Youtube-Videos der Lieder angesehen und dann eigene Ideen eingebracht. „Es war schön zu sehen, welche Motivation die Profis bei den Schülern ausgelöst haben“, sagt Ballweber, der sich mit dem Konzert auch einen eigenen Traum erfüllt hat. Reich ist die Leidenschaft für seinen Beruf anzumerken. Seine Bewegungen, seine Mimik sind eins mit der Musik. Mittlerweile sind die Profi- und Nachwuchssänger bei „The Angel Gabriel“ angelangt, dem Lieblingssong von Ibrom und Maximilian Müller (18), „wegen der Rhythmik und Harmonie“. Es naht das Ende des gut 50-minütigen Konzerts. „Ding Dong! Merrily On High“ schallt es wie Glockenschläge aus den Kehlen. Der Kanon „Litte Jack Horner“ – Schneiders Favorit, „weil da besonders laut mitgesungen wird“ – ist ein würdiger Abschluss. Das Ensemble verneigt sich samt dem Dirigenten mehrfach, der Beifall wird bei jedem Mal lauter. Reichs Anmerkung „Wir hätten noch eine Zugabe dabei, sollen wir?“, wird dann auch zur rhetorischen Frage. „Es hat wahnsinnig toll geklungen“, resümiert er, ehe er den Kanon „Ding Dong! Merrily On High“ anstimmt, weil „das Konzert gemeinsam enden muss“. Der minutenlange Beifall und der Gesang hallen noch lange nach.

Bei der Generalprobe bittet Dirigent Hannes Reich zur Massage der Schläfen.
Bei der Generalprobe bittet Dirigent Hannes Reich zur Massage der Schläfen.
x