Ludwigshafen Ein Gefühl für Wasser und Menschen

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Unter dem Titel „Wort und Wein“ werden im Pfalzbau Musik, Wein und Literatur zu einer Veranstaltung verhäkelt. Diese Trias kann harmonieren, muss aber nicht. Bei der letzten Veranstaltung der Reihe in diesem Kalenderjahr war John von Düffel zu Gast .

Im gläsernen Foyer sind vier lange Tafeln mit weißen Tischtüchern aufgebaut. Sie bieten Platz für 60 Zuschauer, die, vor sich ein Weinglas, auf die kleine erhöhte Bühne schauen, die Platz für einen Flügel und drei Sessel bietet. Zu Gast ist John von Düffel, Theaterdramaturg und Romanautor in Personalunion. Von Düffel, nach Engagements in Stendal, Basel, Oldenburg und am Thalia Theater in Hamburg ist heute am Deutschen Theater in Berlin und gehört zu den namhaften Künstlern in der Theaterszene. Für sein Romandebüt „Vom Wasser“ 1998 erhielt er unter anderem den Ernst-Willner-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb und den Aspekte-Literaturpreis. Seither hat er zwölf weitere Romane und Essay-Sammlungen veröffentlicht. Zu sehen und zu hören bekommt man ihn jedoch vorerst noch nicht. Pfalzbauintendant Tilman Gersch ist kein Entertainer. Seltsam unpointiert moderiert er durch den Abend und verplaudert sich mit Dirk Paulus, dem heutigen Repräsentanten des Weingutes Liebfrauenstift aus Worms. Dabei fallen Marketingsätze und Phrasen wie: „Der Deutsche Wein ist generell im Aufwind“, die beim Publikum ein gelangweiltes Werbeblock-Gefühl aufkommen lassen. Auch die musikalischen Auszeiten rund um den Weinausschank mit den gut spielenden Musikschülerinnen Frederike Schubert und den Schwestern Cyxuan und Lisa To von der Musikschule Ludwigshafen wirken im Laufe des Abends wie Pausenfüller, weil sie nicht in das Konzept eingebunden sind. Etwa nach 40 Minuten betritt John von Düffel dann die Bühne. Der zierliche Mann mit der Nickelbrille hat das Talent, die umständlich von Gersch an ihn herangetragenen biographischen Fragen elegant zu umspielen und durch seine Antworten zu verwandeln. So erfährt man, dass von Düffel die Stückfassung für die ersten Nibelungenfestspiele 2002 in Worms geschrieben hat. Er betreute auch die Produktion. Um die Reibungen zwischen den beiden hochkalibrigen Theaterrössern Dieter Wedel (Regie) und Mario Adorf (Hagen) in sich verarbeiten zu können, joggte er um das Liebfrauenstift und schwamm sowohl im Rhein als auch im Silbersee. Dass John von Düffel ein Gefühl für Wasser und Menschen hat, stellt er mit der Geschichte „Ostsee“ unter Beweis. Sie ist die erste von elf „Wassererzählungen“, die 2014 im Dumont Verlag erschienen sind. „Die meisten Menschen haben ein falsches Bild von der Kälte. Sie meiden sie, ohne sie jemals kennengelernt zu haben“, beginnt von Düffel. Er beobachtet genau, beschreibt einfühlsam, schnörkellos und so präzise, das das Publikum glaubt, die zarte Eisschicht, die sich an der Oberfläche der Ostsee gebildet hat, dort, wo sie ruhig ist, mit den Fingerspitzen spüren zu können. Erstaunt legt man mit dem Ich-Erzähler die Kleider ab, überwindet die Abwehr des Körpers gegen das eisige Wasser und schwimmt. Von Düffel hat ein Gespür, in kurzen Geschichten große Sehnsüchte und menschliche Untiefen wie nebenbei zu erzählen. Dieser Teil des Abends zieht das Publikum in den Bann. Der Veranstaltung hätte gut daran getan, mehr der Kraft der Worte zu vertrauen und unnötige Worte einfach wegzulassen.

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