Ludwigshafen Ein Aniliner im Kaffeehaus

Im Café ein gutes Team: Mitarbeiterin Jette Damminger, Hartmut Unger und Eleonore Hefner (von links).
Im Café ein gutes Team: Mitarbeiterin Jette Damminger, Hartmut Unger und Eleonore Hefner (von links).

Wie ein Hasardeur wirkt Hartmut Unger überhaupt nicht, wenn er da am ersten regulären, sommerheißen Öffnungstag mit dunkelroter Schürze, rot-weiß kariertem Hemd und freundlichem Lächeln hinter dem Tresen von „Franz & Lissy“ steht. Aber auf ein Abenteuer hat sich der 54-Jährige mit der Idee, ein Kulturcafé am Schützenplatz in Süd zu eröffnen, zweifellos vor drei Jahren eingelassen. Unger ist einer von vier Gesellschaftern des stadtweit einmaligen Projekts, neben seiner Ehefrau Gabi, Initiatorin Eleonore Hefner und deren Mann Peter. „In meinem Leben habe ich schon öfter die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt, Dinge auszuprobieren“, sagt der Mannheimer gelassen, aber erwartungsvoll. „Ich freue mich auf den neuen Impuls. Ich freue mich darauf, einen neuen Resonanzraum zu betreten.“ Zu einem guten Leben gehöre auch, etwas auszuprobieren und zu machen, ist er überzeugt. Die Gelassenheit des Mittfünfzigers hat gute Gründe: Unger und seine Frau sind weit davon entfernt, von dem Kulturcafé leben zu müssen. Das Projekt soll sich selbst tragen, wünscht er sich bescheiden. Mehr nicht. In erster Linie geht es den vier Machern um den Austausch von Künstlern und Nachbarn und einen schönen Ort für gesellschaftliche Diskussionen. Denn im Hauptberuf arbeiten Hartmut und Gabi Unger bei der BASF: er als Projektleiter, sie als Chemikerin. Der promovierte Historiker und Politikwissenschaftler ist schon viel herumgekommen in der Welt und weiß auch deshalb das Leben zwischen der Mannheimer Oststadt, der Anilin und dem Quartier rund ums Kulturcafé zu schätzen. Unger hat festgestellt, dass es nicht überall selbstverständlich ist, dass man zum Joggen einfach kurz vor die Tür geht, danach die Fenster aufreißt, um frische Luft zu tanken, und seinen Durst mit einem großen Glas Leitungswasser löscht. In Hongkong zum Beispiel sei all das nicht zu empfehlen, erzählt er. Dort hat der gebürtige Oberpfälzer für die BASF gemeinsam mit dem Goethe-Institut einen deutsch-chinesischen Kulturaustausch organisiert. Vier Jahre lang haben Unger und seine Frau in der Megacity gelebt. Als sie im Jahr 2010 wieder nach Deutschland zurückkehrten, haben sie ihre Begeisterung für die asiatische Küche mitgebracht. Das vegetarisch-vegane Angebot des Kulturcafés „Franz & Lissy“ entspricht daher durchaus den persönlichen Vorlieben des Aniliners. Kennenlernen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise Die erste Begegnung mit der SPD-Stadträtin Eleonore Hefner hatte Hartmut Unger im Jahr 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise. Hefner hatten damals die Idee, die Geflüchteten zu sogenannten Stadtspaziergängen einzuladen. Unger war mit im Boot, weil auch bei der BASF die Frage diskutiert wurde, wie die Zivilgesellschaft mit der neuen Herausforderung umgeht, schildert der 54-Jährige im Rückblick. Nur einige Monate später berichtete Hefner dann den neuen Freunden von ihrer Idee, in zwei leer stehenden Läden in Süd ein Kulturcafé einzurichten. Es folgten viele Gespräche zwischen den beiden Ehepaaren und schließlich die Gründung der Gesellschaft für das Café im vergangenen Spätsommer. Dabei waren und sind sich der Schwarze Unger und die Rote Hefner in ihren Diskussionen nicht immer grün, glauben aber gemeinsam an das Gute im Kaffeehausbesucher. Hinterm Tresen, so wie am ersten Tag des Kulturcafés und während seines Studiums, als er an den Wochenenden eine Wohnheimbar gemanagt hat, wird Hartmut Unger eher selten stehen, sondern sich eher um den „Franz & Lissy“-Papierkram kümmern. Außerdem hat er einiges zu sagen: Heute Abend feiert Hartmut Ungers politisches Gesprächsformat „Auf der Couch“ im Kulturcafé am Schützenplatz Premiere. „Was kann Zivilgesellschaft? Und was kann sie nicht?“, will er herausfinden. Dazu hat er die Professorin Laura Edinger-Schons vom Lehrstuhl für Unternehmensverantwortung der Universität Mannheim eingeladen. Mit der Expertin will er darüber diskutieren, was die Selbstorganisation der Bürgergesellschaft tatsächlich leisten kann, wer überhaupt dazu gehört und wo deren Grenzen sind. Edinger-Schons, die Gründerin und Inhaberin des Lehrstuhls für Corporate Social Responsibility, sei national und international bestens vernetzt und zugleich exzellent vertraut mit Vereinen, engagierten Menschen und Unternehmen in der Metropolregion Rhein-Neckar, kündigt Unger einen spannenden Abend an. Termin „Was kann Zivilgesellschaft? Und was kann sie nicht?“ In der Reihe „Auf der Couch“, heute, 19 Uhr, „Franz & Lissy“, Lisztstraße 176, Eintritt frei. Das Kulturcafé ist regulär montags bis freitags von 12 bis 20 Uhr geöffnet.

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