Ludwigshafen Ehrfurcht? Muss nicht sein!

91-83783512.jpg

2008 hat Heiner Kondschak mit viel Erfolg am Theater Heidelberg eine Revue über Leben und Werk Bob Dylans inszeniert. In der vergangenen Spielzeit hat sie das Badische Staatstheater Karlsruhe wiederaufgenommen. Jetzt ist „The Times They Are A-Changin’“ in Ludwigshafen am Theater im Pfalzbau zu Gast. Der erste Abend wurde im gut besuchten Haus begeistert gefeiert.

In wenigen Tagen, am 24. Mai, wird Bob Dylan 75 Jahre alt. Mit dem Pop-Rebell der 1960er Jahre ist auch seine Fan-Gemeinde gealtert, aber nicht geschrumpft, wie jetzt auch im Pfalzbau zu sehen war. Die erste von drei Vorstellungen der Bob-Dylan-Revue war nahezu ausverkauft, das geschätzte Durchschnittsalter dürfte um die 60 Jahre gewesen sein. Kein Wunder, denn wer 20 war, als „Blowin’ in the Wind“ 1964 aufhorchen ließ und allem Unmut über den Weltenlauf eine Stimme gab, der hat inzwischen das Rentenalter erreicht. Auch Dylan selbst ist gesetzter geworden und obendrein noch ein wenig nostalgisch. Das Letzte, was von ihm zu hören war, waren Versionen von Frank-Sinatra-Songs aus den 1950er Jahren. Es hat Dylan schon immer gefallen, seine Fans vor den Kopf zu stoßen. Heiner Kondschak hat für seine Revue so denn auch als roten Faden durch ein Leben voller Sprünge, Brüche und Unberechenbarkeiten Woody Guthries Lebensweisheit gewählt: „Die Welt ist ein Karneval.“ Diese Botschaft gibt gleich zu Beginn der Show der nervenkrank ans Bett gefesselte Folksänger seinem noch unbekannten Bewunderer mit auf den Weg. Der Satz erteilt dem angehenden Einzelgänger im Showgeschäft eine Lehre für ein Leben mit immer neuen Masken und Identitäten. Und dann könnte die Erkenntnis von der Wandelbarkeit aller Dinge ja auch von einem der poetischen Vorbilder Dylans stammen, von Arthur Rimbaud mit seinem berühmten Satz: „Ich ist ein anderer.“ „It ain’t me Babe“ heißt ja ein früher Dylan-Song und ein anderer, der der ganzen Revue den Namen gab, „The Times They Are A-Changin’“. Die Zeiten ändern sich: Was aus dem Mund eines anderen wie eine Binsenweisheit klingt, wird im Song des jungen Dylan zum Hoffnungsfanal in einem Weltveränderungsprogramm. Die Revue schließt ein Leben voller Freiheitsdurst zusammen mit der großen Weltpolitik. Am Anfang, als der Protestsänger Dylan noch selbst in die Politik eingegriffen hat, gelingt das gut, im zweiten Teil, als der Held sich mehr und mehr zurückzieht, weniger. Da ist zunächst Bob Dylan als Wortführer der Protestbewegungen in den 1960er Jahren, der Unterstützer der Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen an der Seite von Joan Baez und Martin Luther King; da ist der Musiker, der mit seiner elektrischen Gitarre die Folkmusik revolutioniert und so seine frühen Fans gegen sich aufbringt; da ist der zurückgezogene Einzelgänger, der sich nach einem schweren Motorradunfall völlig aus der Öffentlichkeit zurückzieht; da ist schließlich der von Präsident Clinton im Weißen Haus empfangene Angehörige des Establishments; und da ist nicht zuletzt der als Robert Allen Zimmerman geborene Jude, der nach einem Erweckungserlebnis zum christlichen Glauben konvertiert und dem Papst ein Exklusivkonzert gibt. Florian Hertweck gibt diesen Bob Dylan in wechselnden Verkleidungen mit Jeans und Lederjacke, dann Ledermantel mit Pelzbesatz und schließlich im weißen Anzug. Schillernd wie Dylans Leben ist seine Musik. In jedem Konzert überrascht er selbst mit einer neuen Version seiner Songs. Es ist daher kein Sakrileg, wenn die Revue mit einem großen Aufgebot an Musikern, einschließlich Bratsche und Geige und der Mannheimer Saxophonistin Cordula Hamacher, sehr eigenwillige Interpretationen der Dylan-Klassiker spielt. Den meisten Applaus erntete eine orgiastische Version von „All Along the Watchtower“ mit einem an Jimi Hendrix angelehnten Gitarrensolo von Sven Götz. Heiner Kondschak, selbst ein ehemaliger Straßenmusiker und Multiinstrumentalist, nähert sich dem Idol mit erfreulich wenig Ehrfurcht, dafür mit desto mehr Ironie. Vieles in seiner Revue ist Parodie. Und einmal wird es auch unfreiwillig komisch, wenn Anna-Magdalena Beetz als Joan Baez zu Dylan sagt: „Du sprichst aus, was alle sagen wollen, die ganzen Kids hier.“ Termin Letzte Vorstellung in Ludwigshafen heute um 19.30 Uhr im Theater im Pfalzbau.

x