Ludwigshafen „Dieses Datum werde ich nicht vergessen“

Mit 29 Jahren ist Julia Caterina May, die künftige Ortsvorsteherin von Rheingönheim, die jüngste Amtsinhaberin in der Stadtgeschichte. Bei der Stichwahl am 8. Juni hat sich die SPD-Politikerin knapp gegen Wilhelm Wißmann (67, CDU) durchgesetzt. Mit der Juristin haben wir über Tattoos, Emotionen und die Krux der geringen Wahlbeteiligung gesprochen.

Frau May, den 8.6.2014 werden Sie so schnell nicht vergessen. Dieses Datum sollten Sie sich eingravieren lassen, Sie mögen ja Tattoos.

Keine schlechte Idee, denn der 8. Juni ist auch der Jahrestag von mir und meinem Verlobten. Das ist unser Datum. Insofern werde ich es so oder so nicht vergessen. Welche Erinnerungen haben Sie an den Stichwahl-Abend im Ratssaal? Das war ganz kurios. Ich habe die ersten Zahlen auf der Leinwand verfolgt, sie aber gar nicht richtig wahrgenommen. Ich blicke also nach vorne, sehe die Balken, auf einmal schreien alle um mich herum, und ich werde von allen Seiten gedrückt. Mir war nicht bewusst, dass das bereits das vorläufige Endergebnis war. Ich war sehr überrascht. Welche Glückwünsche haben Sie am meisten berührt? Die Glückwünsche von Leuten, die ich persönlich gar nicht kenne. Die Resonanz über Facebook und das Internet war enorm. Viele Menschen haben sich unheimlich für mich gefreut, mir Mut für die Zukunft und gute Nerven gewünscht. Es war schön für mich zu sehen, wie breit die Anteilnahme ist. Und natürlich war mein Team happy und stolz. Happy war auch die Friesenheimer CDU-Kandidatin Constanze Kraus – allerdings nur anderthalb Tage, bevor sie von einer Auszählpanne erfuhr. Der Sieg ging an SPD-Gegner Günther Henkel. Fühlen Sie mit ihr? Das muss ganz erschütternd für sie sein. Da feiert man seinen Erfolg, die Leute drumherum sind aus dem Häuschen – und dann diese Hiobsbotschaft. Da ist die Enttäuschung umso größer. Das ist ein harter Schlag. Sie tut mir wirklich leid. Kraus lag am Ende 75 Stimmen zurück, Sie nur 78 Stimmen vor Ihrem Rivalen – hatten Sie Bammel, dass sich da doch noch etwas zu ihren Ungunsten verschieben könnte? Ich war mir bis zum Schluss nicht sicher, denn bei solchen Auszählungen kann sich schnell ein Zahlendreher einschleichen. Es war sehr eng und extrem spannend. 932 der 5933 wahlberechtigten Rheingönheimer haben Sie letztlich gewählt – das sind keine 16 Prozent. Dämpft das Ihre Freude? Es dämpft die Freude nicht, weil der Zuspruch, den ich ansonsten bekommen habe, sehr groß war. Wir wissen alle, dass Stichwahlen problematisch sind. Ich sage auch ganz ehrlich: Ich stimme den Leuten zu, die fordern, Ortsvorsteher-Stichwahlen abzuschaffen. Das ist nicht mehr zeitgemäß und vom Aufwand und den Kosten her nicht mehr darstellbar. Lieber im ersten Wahlgang mit einer relativen Mehrheit gewinnen – das halte ich für die bessere Lösung. Darüber werde ich mit unseren Landtagsabgeordneten sprechen. Da ist der Gesetzgeber gefragt. Hätte eine relative Mehrheit gereicht, dann wäre Wilhelm Wißmann jetzt Rheingönheimer Ortsvorsteher. Im ersten Wahlgang hatte er 17 Stimmen Vorsprung. Das wäre in Ordnung gewesen. So läuft Demokratie. Ich hätte auch mit diesem Ergebnis leben können, weil wir als SPD gekämpft und einen guten Wahlkampf geführt haben. Wie gehen Sie Ihre Aufgabe an? Motto: Alles neu macht die May? (lacht) Bestimmt nicht alles. Ich werde sicher einen eigenen Stil mitbringen. Ich will neue Medien besser nutzen, der Kontakt mit den Menschen muss niederschwelliger sein. Ich will etwa abends Bürgersprechstunden für Berufstätige anbieten. Auch inhaltlich soll meine Handschrift erkennbar sein. Wie wollen Sie Job und politisches Ehrenamt in Einklang bringen? Mit guter Organisation. Ich habe einen tollen Chef in der Kanzlei. Dort hat die politische Arbeit Tradition. Sie spielen auf den SPD-Vorsitzenden Wolfgang van Vliet an. Genau, unseren Bürgermeister. Der ist ja Gründer der Kanzlei „Van Vliet, Schabbeck und Zickgraf“. Wir werden da schon eine Regelung hinbekommen, die mir Freiräume schafft. Apropos Wolfgang van Vliet – für den Parteivorsitz sucht die SPD gerade einen Nachfolger. Zwei Bewerber sind im Rennen: Markus Lemberger (52) und David Schneider (24). Wer ist für Sie der bessere Parteichef? Die Rheingönheimer SPD hat sich einstimmig für Schneider ausgesprochen. Er kommt aus Rheingönheim, ist hier verankert und hat als Juso-Chef gute Arbeit geleistet. Er hat unsere volle Unterstützung. Mit 17 hat man noch Träume, heißt es. Wovon träumt man mit 29? Dass ich als Ortsvorsteherin den Erwartungen der Menschen gerecht werde – und von meiner Hochzeit im Sommer nächsten Jahres.

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