Ludwigshafen „Die SPD hat aus Fehlern nichts gelernt“

Vor einer Woche hat Stadtrat Georgios Vassiliadis sein SPD-Parteibuch abgegeben, seit wenigen Tagen ist er – wie gestern berichtet – Mitglied bei den Grünen. Über die Beweggründe für seinen Parteiwechsel haben wir mit dem Vize-Ortsvorsteher in Nord gesprochen.

Herr Vassiliadis, warum haben Sie der SPD den Rücken gekehrt?

Das hat mit der Bundespolitik zu tun. Der Sozialstaat wird immer weiter abgebaut, die Armut, speziell die Altersarmut, nimmt zu. Rentner müssen arbeiten, um über die Runden zu kommen. Viele Leute finden keine bezahlbaren Wohnungen. Hinzu kommen die Probleme mit dem Klimaschutz und der Dieselskandal. Das passt vorne und hinten nicht. Mit all dem bin ich nicht mehr einverstanden. Die SPD als Teil der Bundesregierung tut zu wenig dagegen. Deswegen wollte ich einen Schlussstrich ziehen und eine neue Herausforderung suchen. Die habe ich bei den Grünen gefunden. Ich hatte ein Gespräch mit der Stadtratsfraktion, das mir gezeigt hat: Die Schnittmengen stimmen. Was machen die Grünen besser? Ihre Positionen zum Klimawandel, zur Verkehrs- und Arbeitspolitik sprechen mich an und bewegen mich. Ich bin auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen und für die Erhöhung des Mindestlohns. Wie haben die Ludwigshafener Genossen reagiert? Immerhin verlieren sie im Stadtrat ihre knappe Mehrheit und kommen jetzt wie Koalitionspartner CDU auf 20 der 60 Mandate. Bisher hat sich kein Genosse bei mir gemeldet, obwohl meine Absichten schon länger bekannt sind. Enttäuscht Sie das? Nein. Die Kontakte bleiben. Ich bin ja nicht aus der Welt, nur weil ich in einer anderen Partei bin. Ob SPD oder Grüne – wir haben alle ein Ziel: gute Politik für Ludwigshafen zu machen. Ich hoffe natürlich, dass es bei der Kommunalwahl im Mai für eine rot-grüne Mehrheit im Stadtrat reicht. Die Ratten verlassen das sinkende Schiff, könnte man ketzerisch sagen. Bundesweit ist die SPD auf dem absteigenden Ast, in Ludwigshafen sind von einst 8000 Mitgliedern aktuell nur noch 1265 übriggeblieben. Das Problem ist die große Koalition in Berlin. Inwiefern? Ich war dagegen, dass die SPD als Juniorpartner ein Bündnis mit der CDU schmiedet. Die SPD schließt falsche Kompromisse. Die Partei sollte in die Opposition gehen oder innerhalb der Bundesregierung anders auftreten. Sie hat aus Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt. Die Probleme bleiben, die Bürger sind sauer, die AfD erstarkt, womit ich als Mann mit Migrationshintergrund ein massives Problem habe. Was läuft falsch? Die große Koalition packt wichtige Themen nicht richtig an. Das nützt den Rechtspopulisten. Ausländer-raus-Rufe sind in Deutschland wieder hoffähig geworden. Das macht mir Angst. Die Grünen verstehen sich als Bollwerk gegen die AfD. Es müsste auch in Ludwigshafen einen Schulterschluss der demokratischen Parteien geben, falls die AfD in den Stadtrat einzieht. Wir alle müssen die Leute darüber aufklären, was die AfD im Schilde führt. Was sagt Ihr früherer Parteikollege, Nord-Ortsvorsteher Antonio Priolo, zum Schritt seines Stellvertreters? Bisher hat er nicht mit mir gesprochen. Klar ist: Wenn das Gremium ein Misstrauensvotum stellt und mich entmachtet, dann muss ich den Posten abgeben. Und Ihre Wunschkoalition in Berlin? Rot-rot-grün. Zur Person Der 52-jährige Grieche, von Beruf Busfahrer, ist in Ludwigshafen geboren, war zehn Jahre lang in der SPD und lebt im Hemshof. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder, 28 und 29 Jahre alt. (Foto: Archiv)

x