Ludwigshafen „Das hat uns kalt erwischt“

Ende des Monats gibt Heinrich Jöckel nach 16 Jahren den CDU-Fraktionsvorsitz ab. Als Vize-Parteichef ist er – zumindest vorläufig – ins zweite Glied gerückt. Mit dem Oppauer haben wir über Emotionen in der Politik, seinen Nachfolger und schwarze Koffer gesprochen.

Herr Jöckel, Sie gelten eher als nüchterner, sachlicher Typ. Als Sie beim Kreisparteitag am 5. Februar Ihren Rückzug angekündigt haben, waren Sie kurz den Tränen nah. Der Schritt ist Ihnen nicht leicht gefallen, oder?

Das war ein sehr emotionaler Moment, als ich meiner Frau für ihre Unterstützung gedankt habe. Ansonsten ist es nicht meine Natur, Zuneigung oder Wertschätzung so offenkundig zu äußern. Ohne familiären Rückhalt ist dieser Job nicht zu machen. Mein Rat an jüngere Kollegen ist deshalb auch: Schaut, dass euer privates Umfeld funktioniert. Fehlt es in der Politik nicht generell an Emotionen? Die dominante SPD-CDU-Koalition erstickt doch kontroverse Debatten im Keim. Im Stadtrat regiert oft die gepflegte Langeweile. Woran es in den vergangenen Jahren gefehlt hat, sind emotional geladene Diskussionen, weil man sich einem gewissen Kalkül unterwirft. Emotionale Ausbrüche gegenüber Mitbewerbern setzt man nur sehr bewusst oder eben sehr kalkuliert. Sie haben auch die Tage der absoluten SPD-Mehrheit miterlebt, als die CDU – wie Sie gerne frotzeln – zur Frontalopposition verdonnert war. Da bestimmte der Schlagabtausch mit den Genossen die Sitzungen. Vermissen Sie diese Rivalität? Das waren andere Zeiten. Wenn man wie die CDU aus der Rolle der Opposition kommt und in die Verantwortung hineingewachsen ist, möchte man das Rad nicht mehr zurückdrehen. Kontrovers wird immer noch diskutiert – allerdings hinter verschlossenen Türen in den Koalitionsrunden. Man darf nicht vergessen, dass es weiterhin gegensätzliche Auffassungen zwischen CDU und SPD gibt – und seien es nur Nuancen. Darüber muss man in der Sache konsequent und auch mal in einer härteren Gangart reden. Sie haben Erfolge und Niederlagen Ihrer Partei miterlebt und mitverantwortet. Was waren Höhe- und Tiefpunkte in den letzten 16 Jahren? Der uneingeschränkte Höhepunkt war 2001 die erste Direktwahl von Eva Lohse zur Oberbürgermeisterin. Da war die CDU absolut im Aufschwung. Das war ein einmaliges Erlebnis, dieses Ziel als Team gepackt zu haben. Beim Tiefpunkt muss ich erst mal überlegen … Ich helfe Ihnen gerne auf die Sprünge: vielleicht die Spendenaffäre rund um Altkanzler Helmut Kohl? Da war ich noch nicht lange im Geschäft. Aber das hat uns auf der untersten politischen Ebene natürlich kalt erwischt. Entschieden wurden diese Dinge andernorts, Stichwort „schwarzer Koffer“. Da zitiere ich den damaligen Kreisgeschäftsführer Hubert Benning: „Der Koffer kommt genauso zurück, wie er hierher kam“ – nämlich per Bote in die frühere Hauptstadt Bonn. Das war schon eine Krise, weil man nicht wusste, wie sich die Debatte auf die CDU auswirkt. Im Nachhinein schlug da die Stunde von Angela Merkel, die sich als Parteivorsitzende etabliert und durchgesetzt hat. Ihre Auseinandersetzung mit Wolfgang Schäuble wurde hier vor Ort fast atemlos verfolgt. Mit Abstand betrachtet, hat die CDU diese Phase gut überstanden. Aber ich möchte sie nicht noch mal durchleben. Haben Sie noch Kontakt zu Kohl? Leider nicht. So wie die Verhältnisse inzwischen sind, insbesondere sein Gesundheitszustand, ist das seit geraumer Zeit nicht mehr möglich. Schriftliche Glückwünsche zu entsprechenden Anlässen lassen wir ihm aber nach wie vor zukommen. Wir fühlen uns Kohl weiterhin sehr verbunden und schätzen seine Lebensleistung hoch ein. Ihr bereits gewählter Nachfolger Torbjörn Kartes ist 35, SPD-Parteichef David Schneider gerade mal 25 – kommt der Schritt in die erste Reihe für beide nicht etwas zu früh? 35 ist ein guter Zeitpunkt, auch mit Blick auf Kartes’ berufliche und private Situation. Er ist reif für den Posten. Ob es der SPD guttut, einen 25-Jährigen in die Verantwortung zu bringen, muss sie selbst wissen. Kartes ist wie Sie Jurist. Sie haben ihn politisch gefördert. Ziehen Sie im Hintergrund weiter die Fäden? Wenn es gewünscht ist, stehe ich mit Rat und Tat bereit. Man hört ja nicht von jetzt auf nachher auf, mitzudenken. Das ist ein fließender Prozess. Kartes wächst ins Amt hinein, ich ziehe mich langsam zurück. Sie und Oberbürgermeisterin Eva Lohse haben in den 90er-Jahren den Generationenwechsel in der CDU eingeleitet. Sie sind bis heute enge Weggefährten. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Lohse beschreiben? Fast wie verheiratet (lacht). Aber eben nur fast! Das ist eine enge politische Partnerschaft und eine enge Zusammenarbeit. Sollte Lohse 2017 nach 15 Jahren im OB-Amt erneut kandidieren? Die CDU hätte nichts dagegen. Und Sie? Werden Sie Parteichef Ernst Merkel in zwei Jahren beerben? Diese Entscheidung halte ich mir offen. Es kommt darauf an, wie wir dann dastehen und welche personelle Konstellation sich abzeichnet. Merkel sagte über Sie bei Ihrer letzten Nominierung zum Spitzenkandidaten für die Kommunalwahl: „Er kann auch mal einen groben Keil auf einen groben Klotz hauen.“ Wie hört es sich an, wenn Sie deutlich werden? (lacht) Dann bezeichne ich eine der kleineren Parteien im Stadtrat als postsozialistisch oder werfe ihr altideologisches Gedankengut vor. Ich kann auch kräftig hinlangen. Dem früheren SPD-Kämmerer Wilhelm Zeiser habe ich mal die Gelbe Karte gezeigt. Er hat dann mit der Roten Karte gekontert. Ist die AfD auch so ein Klotz, auf den Sie gerne hauen? Immerhin hat die Partei die CDU bei der Kommunalwahl im Mai viele Stimmen gekostet. Wir machen bei der AfD nicht den Fehler, sie zu unterschätzen. In diesem Fall wäre es nicht angebracht, den groben Keil anzusetzen, weil die AfD derzeit im Stadtrat dazu offen gesagt keinen Anlass gibt. Aber wenn es die Situation erfordert, würden wir das durchaus tun. Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist derzeit aber nicht denkbar? Auf absehbare Zeit ist das nicht vorstellbar, weil die AfD zu diffus unterwegs ist. Da weiß man nicht, wohin die Reise geht, etwa im Verhältnis zur Bewegung Pegida. In der Bundes-AfD hört man weiter dumpfe Töne, wenn es um die Flüchtlings- oder Migrationspolitik geht. Das ist nicht die Linie der CDU. ZUR PERSON „Heiner“ Jöckel, 55, übernahm den CDU-Fraktionsvorsitz 1999 von Berthold Messemer und ist seit 5. Februar stellvertretender Parteichef. Bei der Industrie- und Handelskammer Pfalz arbeitet der Jurist als Justiziar. Mit seiner Frau Ulla ist er seit 27 Jahren verheiratet. Das Paar lebt in Oppau und hat eine 25-jährige Tochter.

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