Ludwigshafen Das große Chaos bleibt aus

Die Bahnsteige des Ludwigshafener Hauptbahnhofs sind am Donnerstagvormittag völlig verwaist. Lediglich auf Gleis eins harrt ein älteres Pärchen aus. „Wir warten eigentlich gar nicht auf den Zug“, sagt das Ehepaar Klein aus Friesenheim. „Wir wollen nur schauen, welche Bahnen fahren, um am Samstag nach Germersheim auf einen Geburtstag zu kommen.“ Für die Arbeitsniederlegung der Lokführer haben die beiden wenig Verständnis: „Der Streik ist eine einzige Unverschämtheit. Früher haben wir fast alle Unternehmungen mit dem Zug gemacht, aber mit der Bahn zu fahren ist ja ein einziges Trauerspiel geworden.“ Mittlerweile hat sich auch Frau Wagner aus Kaiserslautern zu den Eheleuten gesellt. „Ich hatte Glück, dass ich rechtzeitig zu meinem Arzttermin in Ludwigshafen gekommen bin, auf den ich schon ein Vierteljahr gewartet habe“, berichtet sie. „Dafür bin ich bereits um 6.19 Uhr in Kaiserslautern losgefahren. Normalerweise hätte ich zwei Stunden später starten können.“ Obwohl sich die Frau aus Kaiserslautern prinzipiell für das Streikrecht ausspricht, bemängelt sie: „Die Gewerkschaft will Stärke zeigen und denkt dabei nicht an die Fahrgäste, die wichtige Termine verpassen.“ Um 10 Uhr füllt sich schließlich der Ludwigshafener Busbahnhof: In Kürze fährt der Fernbus nach München ein. Der Zug benötigt für diese Fahrt ein wenig mehr als drei Stunden, der Bus fast doppelt so lange. Dennoch nutzt Gisela Ludwig aus Heidelberg wie viele andere Reisende diese Alternative zur Bahn. „Ich hatte schon ein Zugticket nach München“, berichtet die Frau. „Aber wegen der Profilierungssucht der Bahngewerkschaft weiche ich jetzt zum ersten Mal auf den Bus aus.“ Für einen Werktag ist auch am S-Bahnhof Ludwigshafen-Mitte viel weniger Betrieb als sonst üblich. Eine Schar junger Menschen steht am Gleis und blickt auf die Anzeigetafel. „Circa 10 Minuten später“, ist auf der Laufschrift zu lesen. „Immerhin kommt mal ein Zug“, freut sich die Reisegesellschaft über die Meldung und gibt zu: „Wir haben gar nicht an den Streik gedacht und sind deshalb ziemlich unvorbereitet.“ Weiter unten am Berliner Platz ist einem jungen Mann ebenfalls die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. „Zum Glück fahren wenigstens die Straßenbahnen normal“, sagt Tobias Müller erfreut. Der 25-Jährige aus Limburgerhof pendelt jeden Tag nach Ludwigshafen zur Arbeit und hat bereits eine schwierige Anfahrt hinter sich. „Weder die S2, die S3, noch die S4 sind gekommen“, beschwert er sich. „Deshalb musste ich warten, bis irgendwann eine S1 gefahren ist und jetzt komme ich fast eine Stunde zu spät zur Arbeit.“ Seinen Chef hat Müller bereits über die Verspätung informiert. „Der ist zum Glück recht locker und hat Verständnis, dass ich wegen des Streiks später komme. Die verlorene Zeit werde ich einfach nacharbeiten.“ Am Mannheimer Hauptbahnhof verteilen Bahnangestellte unterdessen Kaffee und Süßigkeiten an die wenigen wartenden Fahrgäste. „Es ist erstaunlich ruhig und entspannt. Der Ersatzfahrplan ist gut angelaufen und die Leute haben sich diesmal besser auf den Streik eingestellt“, sagt eine Bahnmitarbeiterin, die schon Streikerfahrung hat. Ganz anders sieht die Situation am Zentralen Omnibusbahnhof in der Nähe des Mannheimer Hauptbahnhofs aus: Zahlreiche Bahnkunden sind von den Schienen auf die Straße gewechselt und nutzen das Angebot der Fernbus-linien. „Ich bin aus Neustadt nach Mannheim gekommen, um mit dem Bus weiter nach Nürnberg zu fahren. Dort hoffe ich, dass ein Zug nach Bayreuth verkehrt, wo ich meine Familie besuche“, sagt eine Frau. Im Gegensatz zu vielen anderen Reisenden hat sie durchaus Verständnis für die Lokführer: „Ich bin für den Streik. Anders kann man doch nichts mehr erreichen.“ Für kürzere Strecken in Mannheim weichen viele vom Streik Betroffene auf Taxis aus. Allerdings sei die Nachfrage „nicht so dramatisch gestiegen, wie wir es uns erhofft hatten“, erklärt ein Mitarbeiter von „Taxi Mannheim“. Beim Ludwigshafener Chemiekonzern BASF sind ebenfalls nur wenige Auswirkungen zu spüren. Denn vom Streik der Lokführer ist nicht nur der Personen- sondern auch der Güterverkehr betroffen. „Wir sind ziemlich gut auf den Streik vorbereitet“, sagt BASF-Pressesprecherin Ursula von Stetten. Ähnlich sieht es bei der Contargo Rhein-Neckar GmbH im Kaiserwörthhafen in Mundenheim aus. „Da die Contargo Bahnverkehre über eigene Züge und private Anbieter abgewickelt werden, gibt es keine direkten Auswirkungen des Streiks“, teilte das Container-Unternehmen mit.

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