Schifferstadt Ausstellung über Geschlechtliche Vielfalt im Schifferstadter Rathaus

Blick in die Ausstellung.
Blick in die Ausstellung.

Schifferstadt. „Nanu? Geschlechtliche Vielfalt in der Pfalz“ – unter diesem Motto läuft noch bis zum 28. April die Wanderausstellung des Institutes für pfälzische Geschichte und Volkskunde (Kaiserslautern) und des Stadtarchivs/ Stadtmuseums und Historischen Vereins Zweibrücken über Homosexualität und andere Formen der sexuellen Identität im Schifferstadter Rathaus zu den Öffnungszeiten.

Die Ausstellung dokumentiert die Verfolgung, aber auch den Widerstand gegen die Diskriminierung geschlechtlicher Vielfalt bis hin zur Gegenwart. Historiker Christian Könne wird am 25. April um 18 Uhr im Alten Rathaus ergänzend einen Vortrag über Schifferstadts homosexuellen ehemaligen Bürgermeister Walther Braun halten.

„Nieder mit dem Unrechtsparagrafen!“, heißt es kämpferisch auf einer der Ausstellungstafeln. Und weiter: „Dann geloben wir uns, solange die gesetzliche und gesellschaftliche Ächtung währt, gegen diese Kulturschmach mit allen geistigen Kräften zu kämpfen“, so Arzt und Sexualforscher Magnus Hirschfeld, Mitbegründer und viele Jahre lang Leiter des WhK (Wissenschaftlich-humanitäres Komitee). Gemeint ist Paragraf 175 des Strafgesetzbuches von 1872, der männliche Homosexualität stigmatisiert und kriminalisiert. Das Komitee sammelte Solidaritätsbekundungen von bekannten pfälzischen Persönlichkeiten gegen den Paragrafen. Es blieb zwar ohne Erfolg, setzte aber ein wichtiges Zeichen.

In der Antike war Homosexualität keiner Diskriminierung ausgesetzt

Denn Homosexualität war keineswegs immer Diskriminierung ausgesetzt. In der Antike war sie eine alltägliche Erscheinung, vor allem in Athen. Sie kam auch in der Kunst, der Dichtung, der Mythologie und sogar in amtlichen Dokumenten vor. Sparta unterhielt ein jahrzehntelang unbesiegtes Heer aus 150 männlichen Liebespaaren, die „Heilige Schar“. Homosexualität wurde dort eng mit der militärischen Gesellschafts- und Staatsordnung verknüpft und sogar gefördert. Über lesbische Frauen ist allerdings aufgrund der männlich geprägten Geschichtsschreibung nur wenig bekannt. Man kennt aber die Dichterin und Lehrerin Sappho, die im sechsten Jahrhundert vor Christus auf der Insel Lesbos lebte. Sie verfasste Lyrik über die weibliche Liebe und Schönheit. Das alles änderte sich allerdings mit dem Siegeszug des Christentums.

Schlimme Auswüchse nahm die Homophobie in der Zeit des Nationalsozialismus an. Reichsinnenminister Wilhelm Frick stand der „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“ vor, und aus seinem Haus stammte das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Hugo Otto Kleine war Chefarzt der Frauenklinik in Ludwigshafen. Er verfasste Texte zur Fortpflanzung sogenannter „Erbuntüchtiger“. Seine Thesen bezogen sich vor allem auf lesbische Frauen sowie auf Frauen, die unter Migräne, Übergewicht und Diabetes litten.

Opfer solcher Männer waren unter anderem der Ludwigshafener Otto Scheuerbrand. Er wurde aufgrund seiner Homosexualität mit 17 Jahren zwangssterilisiert und ab 1942 in mehrere Konzentrationslager verschleppt. Scheuerbrand wurde schließlich im KZ Mauthausen ermordet. Sein Stolperstein befindet sich in der Maxstraße 52 in Ludwigshafen.

Das Leben des homosexuellen Schifferstadter Bürgermeisters

Auch in Schifferstadt waren Homosexuelle Anfeindungen ausgesetzt. Historiker Christian Könne entfaltet das Leben des ehemaligen Bürgermeisters und Juristen Walther Braun (1883 bis unbekannt). Er war der erste gewählte Bürgermeister Schifferstadts. Aufgrund seiner Homosexualität wurde er in Heidelberg verhaftet. Vorher überwachte die Polizei akribisch, was er tat und mit wem er Umgang pflegte. Dabei konnte die Polizei ihm wohl keine „strafbaren Handlungen“ nachweisen.

Der Stadtrat entfernte ihn aus dem Amt und strich ihm alle Bezüge. Ihm kamen dabei andere Verfehlungen Brauns zugute. Die Presse berichtete über Jahre hinweg über diesen „Skandal“ in einer verzerrten Darstellung – sie rückte alle seine Handlungen in ein schlechtes Licht. All dies wurde kaum hinterfragt, aber Braun klagte als Jurist erfolgreich gegen seine Amtsenthebung und gegen besonders negative Presse. Er erwirkte eine Gegendarstellung in der Presse und einen Vergleich mit hoher Abfindung. Braun schied „freiwillig“ aus seinem Amt aus. „Aus Amt und Würden“, wie Könne sagt. Und eigentlich ist Braun auch aus der Geschichtsschreibung gestrichen worden, denn in den städtischen Archiven und Behörden sind keine relevanten Unterlagen zu finden. Nur im Landesarchiv Speyer gebe es eine Akte zu Braun.

Die Ausstellung behandelt vorwiegend Männer und deren Schicksale. „Dass die Geschichte frauenliebender Frauen weniger präsent ist, ist zutreffend. Das liegt an der historischen Überlieferungssituation für das Leben frauenliebender Frauen.“ Eine der wenigen in den Fokus gerückten Frauen sind Elsbeth Krukenberg (1867-1954) und ihre Lebensgefährtin Lina Hilger. Krukenberg war Frauenrechtlerin und -politikerin, setzte sich früh für Mädchenbildung und Frauenausbildung ein und leitete zunächst die private Frauenklinik ihres Ehemannes in Bonn. Ihre Freundin Lina Hilger machte sich einen Namen als Pädagogin und Schulreformerin. Elma Trosse (1863-1949) war Lehrerin, Sexualreformerin und Heimatdichterin. Sie schrieb eine Abhandlung über die weibliche Homosexualität: „Der Konträrsexualismus inbezug auf Ehe und Frauenfrage“. „Am 16. Mai findet speziell ein Vortrag zur Geschichte lesbischer Frauen in Speyer im Rahmen der Nanu?-Ausstellung statt“, informiert Könne.

Öffnungszeiten

Montags 8.30 bis 12 Uhr, dienstags 8.30 bis 12 Uhr und 14 bis 18 Uhr, mittwochs 8.30 bis 12 Uhr, donnerstags 6.30 bis 12 Uhr und 14 bis 18 Uhr, freitags 8.30 bis 12 Uhr

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