Rhein-Pfalz Kreis Zünftige Anekdoten

Schifferstadt. Wie lebt es sich als gebürtiger Bayer, also als „Andersgläubiger“ in der fremden Pfalz? Das hat Dieter Presoll gestern den Zuhörern im Schreiwer-Hais’l in Schifferstadt nähergebracht. Wer beim Stichwort „Bayrische Schmankerl“ harmlose Scherze erwartete, wurde eines Besseren belehrt. Es ging durchaus „zünftig“ zu, wie der Bayer zu sagen pflegt.

Dieter Presoll, 70 Jahre alt, ist in München geboren und aufgewachsen. Seine Großmutter hat ihn an der Isar in einem „Wagerl“ geschoben. Doch wen „Gott will strafen, den schickt er nach Ludwigshafen“. Und wer es noch nicht weiß: „Schickt er dich nach Germersheim, dann geh lieber in den Rhein.“ Ganz so schlimm scheint der Schicksalsschlag dann doch nicht gewesen zu sein. Presoll lebt jetzt schon seit mehreren Jahrzehnten glücklich verheiratet in der Pfalz. Und die sei jetzt Heimat geworden. Die gute Stube von Claus Jürgen Müller ist sicher ein kurioser Ort für Veranstaltungen. Auf Stühlen sitzen die Leute dicht nebeneinander, der Gast trägt nicht etwa auf einer Bühne vor, sondern sitzt quasi im Publikum. Manchmal klingt das Gebell des Familienhundes durchs offene Fenster. Das alles fördert das Wir-Gefühl, die Stimmung wird schnell ausgelassen. Das führt auch dazu, dass Vortragender und Publikum in einen Dialog treten. Zuschauer erzählen selbst Witze, es gibt Zwischenrufe. Und gelacht wird sowieso. Presolls Vortrag war eine Mischung aus Anekdoten und Geschichten, die von ihm oder Bekannten stammten. Zum Beispiel die von der stattlichen Wirtin Berta, die für ihre spitze Zunge und Schlagfertigkeit bekannt war. Als ein Gast zudringlich wird, verliert Berta aber keineswegs die Contenance. „Sie packte ihn an der Krawatte, warf ihn raus und die einzigen Worte, die sie sagte, waren: ,Du Depp’“, berichtet Presoll. Diese lakonische Reaktion hat Stil. Die Bayern seien ein eigenwilliges Volk, sagte Presoll, das keine Herrschaft akzeptiere und sich stets gegen Druck und Zwang wehre. Die Liebe zur Biergartenkultur habe soweit geführt, dass ab 9 Uhr „strenge Bettruhe“ für Nachbarn herrsche. Keine „Privat-Gaudi“ dürfe die Biergartenbesucher stören. Für sie gelte nicht das Motto „My home is my castle“, sondern „My home is my Glaserl“. Köstlich auch die Geschichte von Presolls Freund Torsten. Der habe das erste Mal in seinem Leben Urlaub in Bayern gemacht, also „das Ausland besucht“ und seine Memoiren darüber niedergeschrieben. Dort sei jedes zweite Haus mit einem Hirschen tätowiert. Die Männer hießen entweder Xaver oder Sepp. Und die Bayern liebten Feste – irgendwo sei immer eines. „Dort sitzen sie dann und trinken Bier aus gläsernen Eimern“, zitierte Presoll seinen Freund. Gläser gebe es nur „für Kinder und sehr alte Frauen“. Weniger gefiel Presoll dagegen das Getue um das Modewort „Toleranz“. Denn von morgens bis abends „tolerant“ sei nicht mal ein Rindvieh. Nächster Gast im Schreiwer-Hais’l ist Gerd Kannegieser mit „Moi beschde Sache live“ am Sonntag, 31. Mai, 11 Uhr. (apk)

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