Ludwigshafen Wiegenlied und Tastenstürme

Zu berichten gilt es über den Besuch eines jungen Virtuosen. Das vierte Konzert der Kammermusik in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim hat die veranstaltende Gesellschaft für Neue Musik dem Klavier gewidmet und Alexej Gorlatch, einem brillanten Vertreter des Instruments. Zu hören gab es Werke von Beethoven und Chopin.

Der in Kiew geborene und in Deutschland aufgewachsene Pianist, Professor an der Frankfurter Musikhochschule, tritt regelmäßig in renommierten Konzertsälen und bei exklusiven Festivals in Europa, Amerika und Asien auf. Zu Alexej Gorlatchs internationaler Laufbahn gab 2011 der Triumph beim ARD-Musikwettbewerb in München die Initialzündung. Dem waren bereits acht erste Preise vorausgegangen, darunter beim Mannheimer Richard-Laugs-Klavierwettstreit. Bei seinem Konzert in den Reiss-Engelhorn-Museen, fiel es jetzt nicht schwer, Gorlatchs Erfolg zu verstehen. Er spielt fabelhaft Klavier, versteht es vor allem bestens, das Instrument zum Klingen zu bringen, was mit dem ausladenden Gestus des Virtuosen im großen Stil geschieht. Wo es darauf ankam, beispielsweise an einigen Stellen in Chopins zweiter Sonate in b-Moll („Mit dem Trauermarsch“) oder auch in Beethovens op. 31, Nr. 2 in d-Moll („Der Sturm“), da entfachte dieser Musiker wahre sonore Gewitter bei majestätischem Tastendonner. Spieltechnisch erwies sich dieser Pianist als unanfechtbar; ihm schien alles mit größter Leichtigkeit von der Hand zu gehen, so etwa zu Beginn bei Beethovens Sechs Variationen über ein eigenes Thema in F-Dur. Bestechend wirkten dabei die Prägnanz seiner Artikulation, und die zwingende Klarheit der musikalischen Abläufe. Das klang ganz besonders in Beethovens Sonate, bei der Gorlatch im Kopfsatz die erweiterte und aufgelockerte, fast schon außer Kraft gesetzte Sonatensatz-Form sehr schlüssig exponierte. Um weiter bei Beethoven zu bleiben: Die Kontraste, vor allem die Erregtheit und der aufgewühlte Tonfall der Ecksätze teilten sich eindringlichst mit in Gorlatchs Wiedergabe, der durchgehend mit äußerst intensivem, leidenschaftlichem Nachdruck spielte. Was auch für seine Chopin-Interpretationen zutraf: In der Sonate wirkte der rastlos drängende, feurige Elan, der dramatische Gestus der beiden ersten Sätze ebenso suggestiv wie der eher lapidare Gestus, die knappen Figuren und die Aufschwünge des b-Moll-Scherzos. Ihnen standen die höchst einfühlsam nachvollzogene, geradezu entrückte Klavierlyrik der „Berceuse“ (Wiegenlied) in Des-Dur entgegen. Leise Anmerkung sei hier dennoch erlaubt: im Mittelsatz der Beethoven-Sonate wäre ein sanglicherer Duktus vorstellbar gewesen. Als Zugabe zum Abschluss des Mannheimer Abends erklangen noch zwei ungemein elegant spielte Etüden von Chopin (op. 10/1 und 4).

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