Ludwigshafen Tanz unter Tablets

Die Sprösslinge des Digitalzeitalters, auch „Millennials“ oder „Generation Y“ genannt, werden flügge. Und gelangen peu à peu in Führungspositionen. So wie der 1983 in Spanien geborene Choreograph Iván Pérez, der seit dieser Spielzeit die Tanzsparte des Theaters Heidelberg leitet. Seine erste Neukreation für Heidelberg heißt „Impression“ und handelt just von seiner Generation.

Das Konzept ist ambitioniert. Mit „Impression“ will Pérez reflektieren, wie wir die Generation Y wahrnehmen und welche sozialen Dynamiken von den „Millennials“, den zwischen 1980 und 2000 Geborenen, ausgehen. Als musikalische Grundlage dient ihm eine Auftragskomposition des zeitgenössischen katalanischen Komponisten Ferran Cruixent. Das Bühnenbild besteht in der Hauptsache aus drei schmalen skulpturalen Blöcken, die über den insgesamt elf Tänzerinnen und Tänzern wie überdimensionierte Tablets kreisen. Cruixents Partitur, die sich in zehn „Impressionen“ gliedert und in Heidelberg vom Philharmonischen Orchester live interpretiert wird, bietet in typisch postmodernistischer Weise von allem etwas: schneidende Blechfanfaren, wie man sie aus Filmmusiken kennt, rhythmisch pointierte Passagen, die an Strawinskys „Frühlingsopfer“ anklingen, exotisches Glockenspiel, das an indonesische Gamelan-Musik erinnert. Audiodateien werden von den Orchestermusikern via Handy abgespielt und in den Strom der Klänge eingespeist. Und hier und da begegnet man einem Schuss sämiger Spätromantik à la Richard Strauss. Was Iván Pérez auf diese schillernde Musik choreographierte, ist ähnlich eklektizistisch wie die Partitur selbst. Pérez’ stilistische Basis bildet der Modern Dance, wie er ihn als Tänzer beim Nederlands Dans Theater erlernte. Doch dieses Ausgangsmaterial kreuzt der Spanier nun mit pantomimischen Elementen, die auf Butoh, den japanischen Ausdruckstanz, verweisen. Wie eine extrem verlangsamte, dadurch höchst groteske Variante der Technotänze, die Sharon Eyal ersinnt, wirkt ein Doppel-Duett im ersten Teil des Abends. Und kurz vor der Pause veranstalten zwei halbnackte Tänzerinnen ein kalligraphisches Bodypainting-Intermezzo, das irgendwann in kunstvolles Schlamm-Chatchen übergeht. Was man, zum Beispiel, als Sehnsucht nach extrem körperlicher Erfahrung deuten könnte: Kehrseite eines Lebens in überwiegend virtuellen Räumen. Überhaupt vermitteln die Bilder, die Pérez wie ein Kaleidoskop choreographischer Ideen an uns vorüberziehen lässt, primär den Eindruck, dass es auch die Angehörigen seiner Generation in erster Linie nach zwischenmenschlicher Nähe gelüstet. Da wird zwar auch mal ansatzweise „gezockt“, indem das Ensemble ein amüsantes Laserpointer-Ballett auf den Tablet-Himmel projiziert. Meistens aber geht es auf der Bühne um Versuche der Annäherung, um das Verhältnis zwischen Individuum und Masse, um Beziehungen in allen möglichen sexuellen Konstellationen. Gelegentlich würde man sich dabei wünschen, dass der Choreograph weniger auf Sinnbilder und dafür mehr auf die Energie der Körper gesetzt hätte. Etwas mehr tänzerische Action hätte „Impression“ sicher nicht geschadet. Ebenso wie eine größere Ökonomie im Umgang mit plakativen Bildfindungen. Alles in allem aber macht Pérez’ Heidelberger Erstling durchaus Lust auf mehr. Zumal ihm ein effektvoll-witziger Schlussakkord gelingt.

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