Ludwigshafen Im Dschungel der Gefühle

Hinter den Tiermasken verbergen sich die Menschen mit ihren Sehnsüchten und Ängsten.
Hinter den Tiermasken verbergen sich die Menschen mit ihren Sehnsüchten und Ängsten.

Die Bürgerbühne ist am Nationaltheater Mannheim ein vielgestaltiges und inzwischen etabliertes Format. In der neuen Produktion im Studio Werkhaus geht es um das große Thema Liebe, das jeden irgendwie berührt. „Wenn wir lieben“ greift das Thema in aktueller Fragestellung und postmoderner Dramatik auf. Die Produktion ist sehenswert und ein Anstoß, über sich selbst und die Funktion von Theater nachzudenken.

Theater mit Amateuren ist als voll gelungen zu bezeichnen, wenn es zu einem ästhetischen Ergebnis führt, das so nur mit Amateuren erreicht werden kann. Die Grundidee ist: die Macher sind die Experten für die Bühne, die Spieler sind die Experten für das Leben. Bühnenerfahrung wird nicht erwartet. Gleichwohl spielen alle in „Wenn wir lieben“ auf überdurchschnittlichem Niveau. Die Experten für das Leben haben ihre Sehnsüchte nach, Ängste vor und Erfahrungen mit der Liebe eingebracht. Die Autorin Maxi Obexer hat daraus Geschichten gemacht und sie ineinander verschränkt. Es sind gestaltete Geschichten. Der Regisseur Clemens Bechtle hat sie wirkmächtig auf die Bühne gebracht, was bei der Arbeit mit Amateuren nicht zuletzt eine theaterpädagogische Aufgabe ist. Voraussetzungen, die zumeist als Zwang erlebt werden, haben also zu einem interessanten Text und dessen spannender Umsetzung geführt. Als wichtiger optischer Faktor kommt noch das Bühnenbild von Till Kuhnert dazu. Es ist stimmig, aber etwas überladen und schränkt damit die Bühnenpräsenz der Spieler ein. Diese sind heterogen, wie die Zufälle des Lebens eben sind. Sie in ihrer Verschiedenheit unter einen Theaterhut zu bringen, ist die ästhetische Herausforderung des Profi-Teams. Ort für die Gefühlswirren der Liebe ist seit Shakespeare der Wald. Auf dem Programmflyer ist es noch der europäische Wald, auf der Bühne ein exotischer Dschungel. Man denkt vielleicht an das „Dschungelcamp“, aber wenn das Personal zwischen den Stämmen hervortritt und dazu Tiermasken trägt, unter denen auch ein schwarzer Gorilla ist, erkennt man: dies ist der Ort von King Kong. Als einziger wird er in seiner Geschichte das Tierkostüm nicht ablegen. Es ist das Märchen von der Liebe, die äußerliche Hässlichkeit überwindet. Es könnte auch „Die Schöne und das Biest“ sein, aber King Kong passt besser in den Dschungel und zur optisch wirkungsvollen Thematisierung eines Gefühle prägenden Filmerfolgs. In den anderen Geschichten hat der Glaube an die Allmacht der Liebe wenig Chancen. Eine Träumerin (Kerstin Steinle) läuft ihm hinterher und steht mit ihrer Haltung „bereit sein ist alles“ buchstäblich im Regen. Einer erkennt seine Liebe erst, als er sie schon verloren hat, und erobert sie sich mit komischer Beharrlichkeit zurück (Markus Müller). Ein junges Paar (Nicola Armando Liguori, Ricarda Schäfer) scheitert an dem Verlangen nach „Autonomie“, altmodisch ausgedrückt: der Unfähigkeit, den anderen wirklich zu akzeptieren. Eine enttäuschte und ergebene Frau erzählt von der traditionellen Ehe (Ebru Eren), die sie erst frei macht, als er hinter Gittern sitzt. Eine andere schreit die Wut über die Katastrophe ihrer „sexuellen Befreiung“ heraus (Sonja Schmidt). Sie glaubt, sich damit vom Frust befreit zu haben. Dass dem nicht so ist, wird dadurch angedeutet, dass sie im Rollstuhl sitzt. Ein junger Syrer berichtet von den Einschränkungen der Liebe in seiner Heimat und begegnet jetzt in Deutschland Einschränkungen anderer Art (Obada Al Syah). Die deutsche Frau (Ricarda Mager) bringt ihm bei, welche Fragen er als Mann der Frau zu stellen hat, um in der Liebe zu reüssieren. Dialogszenen, Monologe, stumme Szenen, als Dialog getarnte Monologe, gelesene Passagen – das alles ist szenisch geschickt ineinander komponiert. Das macht die Aussagen interessant und das Stück spannend. Liebe heute und hier: die Sehnsucht danach ist prekär, die Angst davor allgegenwärtig. Das ist ein bisschen traurig, aber vor allem komisch. Fassbar wird Liebe real als Sorge für einen kranken Sohn und medial als Märchen, beide gespielt von dem behinderten Sören Tjarks. Termine Nächste Vorstellungen im Studio Werkhaus des Mannheimer Nationaltheaters am 27. Februar, 9. und 12. März, 20 Uhr. Kartentelefon: 0621/1680150.

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