Rhein-Pfalz Kreis Fast wie Suaheli

Gerhard Bauer hat eine deutsche Schule in Oslo gegründet.
Gerhard Bauer hat eine deutsche Schule in Oslo gegründet.

«WALDSEE.» Damit hat Gerhard Bauer aus Waldsee nun wirklich nicht mehr gerechnet. Mit fast 80 Jahren hat er die rheinland-pfälzische Verdienstmedaille bekommen. Für etwas, wohlgemerkt, das er bereits in den 1970er-Jahren in Norwegen geleistet hat.

Gerhard Bauer bekam die Auszeichnung, die von Norwegen aus beantragt wurde, für sein außerordentliches Engagement zur Gründung und Weiterentwicklung der deutschen Schule Oslo und seinen Einsatz für das Fortbestehen der dortigen evangelischen deutschen Gemeinde. An die Zeit im hohen Norden mit seiner Frau Adelheid und den drei Kindern erinnert sich der pensionierte Gymnasiallehrer für Deutsch und Französisch noch immer sehr gerne. 1975 ging er als Fachberater für den Deutschunterricht an das norwegische Kirchen- und Unterrichtsministerium. Geplant waren drei Jahre, letztlich wurden sechseinhalb daraus. Das war zu einer Zeit, als die Ressentiments gegen die Deutschen in Norwegen anfangs noch groß waren. „Deutsch lief Gefahr, als Fremdsprache an Schulen des Landes ganz zu verschwinden, oder hatte höchstens noch den gleichen Stellenwert wie Samisch oder Suaheli“, erinnert sich Bauer. Das Ministerium habe Deutsch wieder als moderne Fremdsprache etablieren wollen, da durch die Ölvorkommen im Land die Beziehungen nach Deutschland gepflegt werden sollten. Gerhard Bauers Aufgabe war es nun, dafür zu sorgen, dass der Deutschunterricht modern gestaltet wurde. Dafür beurteilte er unter anderem Lehrbücher und reiste durch das ganze Land zu Schulbesuchen. „Ich habe den Schülern gezeigt, wie ein Deutscher aussieht, nicht mit Lederhosen und Tirolerhut. Und ich habe mit den Schülern über die damals aktuellen Themen diskutiert.“ Auf die erste Frage, die er damals gestellt bekam, war er allerdings nicht vorbereitet: „Was ist der Unterschied zwischen Wehrmacht und Bundeswehr“, lautete die, und Bauer wurde klar, dass noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten war. Zu Beginn seines Aufenthalts wäre die Idee, eine deutsche Schule in Oslo zu gründen, sicher gescheitert, denkt Bauer. Aber als er nach fünf Jahren gefragt wurde, ob er eine Chance für eine solche Schule sehe, hat er das Vorhaben tatkräftig angepackt und einen Schulverein gegründet. Eine seiner Bedingungen war, dass Norwegisch ab der ersten Klasse als erste Fremdsprache unterrichtet werden muss. Außerdem wurde an den Nachmittagen muttersprachlich deutscher Ergänzungsunterricht für Schüler von norwegischen Schulen angeboten. Zehn Mädchen und Jungs hätte er gebraucht, um die Schule zu starten. Acht haben sich angemeldet. Doch Bauer hat sich nicht geschlagen gegeben und zwei „Strohmänner“, wie er es nennt, organisiert. Das Ministerium hat ein Auge zugedrückt. Im nächsten Jahr waren es schon 30 Anmeldungen. Heute ist die Schule zweisprachig und wird von über 200 Kindern besucht. Die Schüler können das deutsche internationale Abitur machen. Außerdem gehört ein Kindergarten dazu. Der Aufbau der Schule war nur ein Verdienst, für das Gerhard Bauer jetzt mit der rheinland-pfälzischen Verdienstmedaille ausgezeichnet wurde. Ihm ist es auch zu verdanken, dass die evangelische Gemeinde deutscher Sprache heute noch lebendig ist. In deren Kellerräumen wurden übrigens die ersten Unterrichtsstunden der deutschen Schule abgehalten. Gerhard Bauer selbst ist der Sohn eines Pfarrers, auch seine Ehefrau stammt aus einer Pfarrersfamilie. Die deutsche Gemeinde in Oslo war, als die Bauers ankamen, von dem damaligen Pfarrer gerade für tot erklärt worden. Das Anwesen wollte der Geistliche sogar einer Sekte verkaufen. Die Bauers sprangen ein. Er hatte in Deutschland die Ausbildung als Lektor in der Pfälzischen Landeskirche gemacht und bat weiter um die Zusendung der Lesepredigten. Ein Jahr lang bemühte er sich um regelmäßige Gottesdienste. Ein norwegischer Theologie-Professor kam, um das Abendmahl auszuteilen. Adelheid Bauer brachte die Bibliothek wieder auf Vordermann, organisierte Kindergottesdienste und leitete einen Mütterkreis. Nach einem Jahr vermeldete das engagierte Ehepaar: Die Gemeinde lebt. Schließlich kam wieder ein Pfarrer nach Oslo. Noch heute ist die Gemeinde aktiv. Gerhard Bauer wäre gerne noch länger in Norwegen geblieben, aber das sei beamtenrechtlich nicht möglich gewesen. Nach seiner Rückkehr unterrichtete er am Carl-Bosch-Gymnasium in Ludwigshafen und organisierte unter anderem einen Schüleraustausch mit Norwegen. In der protestantischen Kirchengemeinde Waldsee-Otterstadt war Bauer jahrelang sehr aktiv, heute engagiert er sich dort in der Seniorenarbeit. Außerdem war er Organist, Lektor, 18 Jahre lang Presbyter, Chorleiter und Chorsänger. Die Liste ist lang. Doch dafür wurde er nicht ausgezeichnet. „Da gibt es andere, die viel mehr machen als ich“, sagt er bescheiden.

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