Rhein-Pfalz Kreis Den Geist schärfen

Der Verzicht auf Fleisch war früher weitaus schwerer als heute. Denn hatte man mal das Luxus-Produkt, wollte man es essen. Auch
Der Verzicht auf Fleisch war früher weitaus schwerer als heute. Denn hatte man mal das Luxus-Produkt, wollte man es essen. Auch in der Fastenzeit. So sind die Maultauschen als Versteck für Fleisch entstanden.

«Schifferstadt.» Herrgottsbscheißerle nennen sie die Schwaben liebevoll, ihre Maultauschen. Und da sind wir auch schon mittendrin im Thema. Was man nicht sieht, isst man auch nicht. Beziehungsweise, was der liebe Gott nicht sieht, hat man nicht gegessen. Praktisch, so ein Nudelteig, der mit einer Mischung aus Spinat und – oha – Fleisch gefüllt ist. Und das in der Fastenzeit. Man fasst es nicht. Was noch unglaublicher ist: Die Idee stammt aus einem Kloster. Jenem in Maulbronn um genau zu sein. Die Zisterziensermönche sollen Fleisch in den Tagen des Dreißigjährigen Kriegs klein gehackt, mit Kräutern vermischt und die Masse im Teig versteckt haben. Schlechte Zeiten erfordern eben schlechte Taten. Der Herrgott wird’s ihnen verziehen haben. „Kein Fleisch zu essen, war in den früheren Zeiten ein größerer Verzicht als heute“, sagt der Schifferstadter Pfarrer Georg Müller. „Wenn man es mal hatte, wollte man es auch essen.“ Die Zeit sei einfach anders gewesen als die heutige. Weniger Ersatzprodukte, weniger Leckereien. „Die Menschen waren eingeschränkter, die Palette kleiner.“ Aus diesem Grund sei die Fastenbandbreite heutzutage gewachsen: Außer auf bestimmte Lebensmittel verzichten die Menschen auf Alkohol, Nikotin, Fernsehen, Internet oder sogar das Autofahren. „Es hat andere Dimensionen angenommen“, sagt Müller. Was allen Dingen gemein sein sollte: sich mit dem Verzicht bewusst machen, wie das eigene Leben abläuft, welche Dinge sich negativ auf uns auswirken, was besser werden kann. Und im religiösen Bereich: zu Gott finden, den Glauben zu einem bewussten Teil des Alltags werden lassen. „Eine Neuausrichtung des Lebens ist in der Fastenzeit möglich.“ Der Mensch soll die Fastenzeit also nutzen. Um den Kopf frei zu kriegen vom Ballast des Lebens, Prioritäten zu setzen, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. „Der Blick soll sich in dieser Zeit schärfen – für das Leben und den Glauben“, sagt Müller. „Man sollte sich klar werden, was das Leben bestimmt.“ Und sich fragen, ob man alles überhaupt noch selbst in der Hand hat oder gar fremdbestimmt agiert. „Gibt es zum Beispiel Abhängigkeiten?“, fragt Müller. „Worauf fußen meine Gedanken und Entscheidungen?“ Einfach mal eine Bestandsaufnahme machen. Für die Katholiken ist die Fastenzeit die Vorbereitung auf das höchste Fest der Kirche: Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu. Neben dem Fasten gibt es auch Besonderheiten in der Liturgie: weniger Blumenschmuck, gedämpfte Musik, bestimmte Farben. Eine bewusste Einschränkung in allen Bereichen. Aber auch Frühschichten mit anschließendem Frühstück oder Kreuzwegandachten gibt es. Es sind besondere Akzente in dieser Zeit. „Wir feiern ja auch andere Feste nicht ohne Vorbereitung“, sagt Müller über die Idee hinter dem Fasten. „Die Kirche sagt, dass der körperliche Verzicht kein Selbstzweck ist, sondern eben der Schärfung des Geistes dient.“ Und dafür brauche der Mensch bestimmte Zeiten. „Wenn ich mir Dinge vornehme, ist es gut, wenn ich eine bestimmte Zeit dafür habe. Den Advent oder die Fastenzeit zum Beispiel.“ Vom heutigen Aschermittwoch bis Gründonnerstag dauert die 40-tägige Fastenzeit offiziell. 40 Tage deshalb, weil die Sonntage und Hochfeste nicht mitzählen, fastenfrei sind. Sprich: Es darf pausiert werden. Auch, wenn sich viele die komplette Zeit hindurch im Verzicht üben. Die Sonntage – für alle Fastenden – beginnen übrigens schon am Samstagabend mit der Vorabendmesse. Ein Glas Wein dürften sich nach Kirchenregeln also alle Alkoholfaster bereits am Samstagabend genehmigen. Und an Hochfesten wie dem Josefstag (19. März) oder der Verkündigung des Herrn (25. März). Je nach Termin der Fastenzeit. Denn wenn ein Hochfest in die Karwoche fällt, wird es auf die Zeit nach Ostern verschoben. Dieses Jahr fällt die Verkündigung des Herrn übrigens auf den Palmsonntag. Heißt: Das Hochfest wird am Montag nach dem Weißen Sonntag nachgeholt, also in diesem Jahr am 9. April. Wer sich nun wundert, was mit den restlichen Tagen bis Ostern ist: „Karfreitag ist wie Aschermittwoch ein strenger Fastentag. Und der Samstag der Tag der Grabesruhe, ein stiller Tag ohne Messfeier“, erklärt Müller. Erst nach der Osternacht – aber die zählt ja schon zum Sonntag – werde es wieder lebendiger. „Nach der Osternacht sitzen wir hier oft noch zusammen und essen“, erzählt der Pfarrer. „Als ich in Rom studierte, sind wir nach der Osternacht immer ein Eis essen gegangen.“ Natürlich gibt es beim Fasten auch eine Verbindung zur Bibel: die 40-Tage-Regel ist aus den Evangelien abgeleitet. Bei Matthäus (4,1-11), Lukas (4,1-13) und Markus (12 f) ist die Zeit Jesu in der Wüste beschrieben. 40 Tage waren das. 40 Tage der Einschränkung und des Verzichts, die den Geist schärften. Aber auch Tage, in denen Jesus den Versuchungen des Teufels widerstehen musste, erzählt der Pfarrer. Beides Aspekte, die auch beim Fasten der Menschen eine Rolle spielen, findet Müller. Er übt sich übrigens auch im Verzicht. „Ich verzichte aufs Rauchen und den Alkohol. Mal schauen, ob ich es durchhalte“, sagt er und lacht. Er ist zuversichtlich – aus Erfahrung. „Es ist eine Frage der Überwindung und eine gute Übung, die eigene Willenskraft zu stärken.“

Eine Neuausrichtung ist in der Fastenzeit möglich, findet Pfarrer Georg Müller.
Eine Neuausrichtung ist in der Fastenzeit möglich, findet Pfarrer Georg Müller.
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