Landau Stolpersteine erinnern an ehemalige jüdische Mitbürger

Gunter Demnig hat in Landau 23 Steine verlegt.
Gunter Demnig hat in Landau 23 Steine verlegt.

Landau zählt 23 neue Stolpersteine zur Erinnerung an ehemalige jüdische Mitbürger. Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat sie verlegt. Am kommenden Samstag bietet die Stadt einen Rundgang für die interessierte Öffentlichkeit an. Treffpunkt ist um 13 Uhr am MSG auf dem alten Messplatz.

Mitglieder der Initiative Stolpersteine haben die Lebensläufe der 23 Menschen zusammengestellt, so weit möglich. Wir veröffentlichen Auszüge daraus.

In der Ostbahnstraße 11 lebte 1933 der Weinhändler Ludwig Levy mit seiner Ehefrau Karolina, geborene Kahn. Ludwig Levy war zum Zeitpunkt der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten bereits 68 Jahre alt, seine Ehefrau Karolina 52 Jahre. Das Ehepaar lebte allein, die Tochter Emmy Rachel Levy, geboren 1905, war bereits 1928 nach Palästina ausgewandert. Ihr Vater starb 1938, er war der Entwicklung nicht mehr gewachsen. Ihre Mutter Karolina Levy verließ Landau 1939 Richtung München, geriet aber in die Fänge der SS und wurde im litauischen Kaunas, dem heutigen Kowno, ermordet.

In der Mozartstraße 51 (damals Birnbaumstraße) lebten bis 11. November 1938 der Schneidermeister Israel Gersmann und seine Ehefrau Irma, geb. Fechenbach, Näherin, mit ihrer Tochter Mathilde Gersmann. Israel, 1893 in der Stadt Samter in Posen geboren, und Irma, 1899 in Mergentheim geboren, waren von Geburt an gehörlos. Sie waren einander an der 1873 gegründeten ITA, der Israelitischen Taubstummenanstalt in Berlin-Weissensee begegnet. Das Paar wurde gehörlose Menschen und als Menschen jüdischer Herkunft in zweifacher Hinsicht zu jenen, die nach nationalsozialistischer Rassenideologie als minderwertig galten und denen sukzessive das Lebensrecht abgesprochen wurde. Viele Gehörlose wurden ohne ihr Wissen, aber auch gegen ihren Willen zwangssterilisiert.

Die Tochter gerettet

Israel und Irma Gersmann ahnten wohl die Gefahren, die ihnen drohten, als Anfang Februar 1938 die Tochter Mathilde geboren wurde. Im Dezember folge er nach einer „Schutzhaft“ Frau und Tochter nach Frankfurt zu Eltern und Schwiegervater. Nachdem Irma 1939 einen Sohn zur Welt gebracht hatte, quartierte sie Mathilde bei Freunden im lothringischen Aumetz ein. Sie wollte mit Mann und Sohn folgen, wartete auf die Einwanderungsgenehmigung. Doch die Deutschen marschierten im Mai 1940 in Frankreich ein.

1942 wurden die Gersmanns und ihr kleiner Sohn mit unbekanntem Ziel aus Frankfurt deportiert. Alle drei gelten seitdem als verschollen. Gehörlose jüdischer Abstammung wurden unmittelbar nach der Selektion am Zielort unabhängig von Alter, Geschlecht und Arbeitsfähigkeit ermordet. Mathilde hat das Grauen der Nazidiktatur bei den französischen Freunden der Mutter überlebt.

Flucht nach New York

In der Martin-Luther-Straße 45A lebte Familie Emanuel. Adolf Emanuel, geboren am 9. Oktober 1873, war Kaufmann und Schuhwarenhändler und Eigentümer des vierstöckigen Wohnhauses. Der Fluchtweg ging im April 1940 mit dem Schiff von Rotterdam nach New York, wenige Wochen danach starb er am 14. Juli 1940. Seine Ehefrau Johanna Emanuel, geborene Süss, geboren am 18. Mai 1880 in Kirrweiler, starb 1978 in New York. Der Sohn Erich Emanuel, geboren am 18. April 1903 in Landau, musste zusammen mit seinen Eltern Landau verlassen und nach Mannheim umsiedeln. Dort lernte er seine Frau, Trudel Emanuel, geborene Geck kennen, und sie heirateten 1932. Sohn Johannes kam 1933 zur Welt. Die Familie flüchtete mit dem Schiff 1938 nach New York. Erich bereitete die Flucht für seine Eltern vor. Erich Emanuel änderte seinen Namen in Eric Eden und wurde Großhändler – mit eigener Firma. Trudel Eden starb am 23. November 2001, die letzte Adresse war in Southampton Suffolk im Staat New York.

Café-Gäste geschlagen

In der Martin-Luther-Straße 45B lebten Alice und Hermann Guggenheim. Er wurde am 11. März 1882 in Karlsruhe geboren. Sein Vater war Gabriel Guggenheim, seine Mutter Fanni, geborene Oppenheimer. Er hatte noch fünf Brüder und acht Schwestern. Am 17. Dezember 1918 heiratet er Alice Scheye aus Hattstatt bei Colmar. Nach ihrer Heirat zogen sie nach Landau, wo sie das „Café Central“ pachtete, das sie gemeinsam mit ihrem Ehemann bewirtschaftete. Zitat aus dem Werk „Juden in Landau“ von Marie-Luise Kreuter: „Ein Ort gewalttätiger Übergriffe war das hauptsächlich von Juden besuchte ,Café Central’. (...) Das Haus Martin-Luther-Straße/Ecke Ostring gehörte Alex Mai und später seinen Brüdern.“ Es sollen SS-Angehörige gewesen sein, die dort mehrmals einfielen und die jüdischen Gäste schlugen. Alice und Hermann Guggenheim verließen noch am 20. Juni 1933 Landau und flohen über Karlsruhe nach Wintzenheim im Elsass.

1935 klagte sie über die Deutsche Botschaft in Paris auf eine Summe von 20.000 Reichsmark für die ihr bei den Ausschreitungen entstandenen Schäden. Der Antrag wurde von einem in Speyer ansässigen „Ausschuss zur Feststellung von Entschädigungen für Aufruhrschäden“ abgelehnt. Die Begründung liest sich wie eine Verhöhnung rechtsstaatlicher Grundsätze und kann nur als Rechtsbeugung betrachtet werden: Die Ausschreitungen seien „durch herausforderndes Verhalten von Juden“ provoziert worden. Frau Guggenheim sei in keiner Weise bedroht worden.

Die Eheleute Guggenheim haben mithilfe anderer überlebt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei der am 8. Juni 1973 80-jährig in Lyon verstorbenen Alice Scheye um Alice Guggenheim, geborene Scheye.

Richter in Ruhestand versetzt

Im Nordring 11 wohnte Familie Dosenheimer. Emil Dosenheimer, Jurist, war seit 1929 stellvertretender Landgerichtsdirektor am Landgericht Landau. Vor dem Landauer Gericht liegt ebenfalls ein Stolperstein, der an ihn erinnert. Am 1. April 1930 zog die Familie Dosenheimer von Frankenthal nach Landau. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten durfte Emil Dosenheimer nicht in seinem Amt bleiben. 1933 wurde er erst beurlaubt und dann in den dauernden Ruhestand versetzt. Sein pensionsfähiges Diensteinkommen und seine Dienstzeit wurden so festgesetzt, als hätte er zum Zeitpunkt des Ausscheidens das 65. Lebensjahr vollendet. Am 28. Juli 1933 zog die Familie Dosenheimer von Landau nach Mannheim und am 3. Oktober 1933 von Mannheim nach Heidelberg.

Emil Dosenheimer starb am 16. Februar 1936 in seiner Wohnung in Heidelberg an einer Krebserkrankung. Seine Urne wurde am 5. März 1936 im Familiengrab auf dem alten Jüdischen Friedhof in Frankenthal beigesetzt. Das Grab wurde während des NS-Regimes beseitigt. Die Ehefrau Paula Dosenheimer Friedmann, konnte sich nicht zur Emigration entschließen, weil sie befürchtete, dadurch die Pensionsansprüche zu verlieren. So wurde sie am 22. Oktober 1940 in das „Camp de Gurs“ deportiert. Sie konnte 1942 in die USA flüchten und starb 1970 in New York. Die Tochter Gertrud Helene, die in Frankenthal die Karolinenschule besuchte und am Städtischen Mädchenlyzeum in Ludwigshafen das Abitur ablegt hatte, studierte an mehreren Universitäten und emigrierte 1937 in die USA. Sie starb 1993 in den USA an Leukämie. Der Sohn Ernst Karl erlernte den Beruf des Kaufmanns bei der Firma Wolf Netter in Ludwigshafen. Er erkannte frühzeitig, dass für Juden ein Leben in Deutschland unerträglich wurde und machte eine mehrmonatige Ausbildung zum Gärtner in Fürstenwald, um danach nach Palästina zu emigrieren. Er verließ Deutschland am 15. Februar 1936 und starb in Israel im Jahre 1987.

Bote an der Börse

In der Kronstraße 6 wohnte Familie Dreyfuß mit drei Kindern. Emma und Viktor hatten am 19. Oktober 1898 geheiratet. Da war Emma, die zuvor Bernstein hieß, 21 Jahre alt und Viktor 27. Im Oktober 1900 kam ihr erster Sohn, Hans, zur Welt, ein Jahr später Arthur. Emma war Hausfrau und Viktor war Schuhhändler. 1913 kam noch ein weiterer Junge hinzu: Kurt Emanuel. Hans heiratete am 29. Oktober 1923 Hedwig Bruchfeld, im April 1925 kam ihre Tochter Hanna Rosi zur Welt. Im gleichen Jahr zog die junge Familie nach Frankfurt.

Nachdem die Nazis die Macht übernommen hatten, setzten immer wieder Repressionen der Familie zu. Emma und Viktor wurden am 14. April 1937 nach Frankfurt zwangsumgesiedelt. Schon drei Jahre zuvor war Kurt Emanuel in die USA geflüchtet. Er fand Arbeit als Bote an der New Yorker Börse, später wurde er Angestellter bei „Carl M. Loeb Rhoades & Co.“, einem Blei- und Zinkhandel. Am 18. Mai 1938 wurde Kurt Emanuel die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Arthur flüchtete 1939 über England ebenfalls nach New York. Emma und Viktor verließen Europa von Genua aus mit der „Rex“. Der 12. Januar 1940 war ihr erster Tag in New York. Hans und seiner Familie gelang die Flucht im Mai 1940. Viktor Dreyfuß starb am 13. Mai 1944, Emma am 30. Juli 1951, Hans am 29. November 1959, Arthur im April 1975. Kurt Emanuel wurde 92 Jahre alt. Er starb am 13. Januar 2006 in New York.

Per Dampfer in die USA

In der Friedrich-Ebert-Straße 9 wohnte seit Februar 1933 Familie Alexander. Paul Alexander, von Beruf Tabakwarengroßhändler, wurde am 16. Februar 1893 in Neustadt geboren. Seit 1920 war er in Landau ansässig. Verheiratet war er mit Anna Aron, die am 24. September 1905 in Landstuhl geboren wurde. Ihre Tochter Ruth wurde am 5. Februar 1932 in Landau geboren. Seit 1937 wohnte die Mutter von Anna, Emma Aron, bei ihnen in der damaligen Kaiserstraße, der heutigen Friedrich-Ebert-Straße 9. Am 14. Oktober 1938, wenige Wochen vor der „Reichspogromnacht“, flüchtete die Familie über Le Havre auf dem Dampfer „Britannic“ in die USA, nach New York. Paul Alexander starb 1967 in Kansas City. Die Tochter Ruth heiratete in den USA, sie starb am 12. Februar 2017 in Kansas City mit 85 Jahren. Auch Emma Aron flüchtete in die USA, 1949 reiste sie von dort nach Palästina. Sie starb am 19. Dezember 1963 in Kansas City.

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