Landau Kostbarkeiten für die Puppenmutti

Ein silberner Backrost und ein goldener Suppenlöffel hängen vor der Wand mit Blumenmuster, im Regal steht ein winziger Schmalztopf, auf dem eisernen Herd ein Miniatur-Salzstreuer: Die Puppenküchen von Monika und Klaus Baumann aus Freisbach sind mit Liebe zum Detail eingerichtet. Jeden Tag erfreut sich das Ehepaar an seinen Sammlerstücken, die im Wohnzimmer stehen. „Die leben mit uns“, sagt Monika Baumann. „Ich finde sie schön und mag sie einfach gerne um mich haben.“ Eine ihrer Puppenstuben stammt aus Familienbesitz, erzählt die 73-Jährige: „Sie ist aus dem Jahr 1927. Mein Onkel machte sie als Gesellenstück und schenkte sie meiner Mutter, als sie elf Jahre alt war.“ Eine andere Puppenstube stamme sogar aus dem 19. Jahrhundert. Viele Möbel und Utensilien habe sie auf Flohmärkten gekauft, berichtet Monika Baumann. Immer zu Weihnachten stellt Ruth Hummel (76) aus Lingenfeld die Puppenstube auf, mit der bereits ihre Mutter gespielt hat. Etwa 100 Jahre sei die liebevoll eingerichtete Küche alt. „Viele Teile des Mobiliars sind noch original, nach und nach wurde es aber um neue Kostbarkeiten erweitert“, berichtet die Tochter Carmen Lehr. Ganz nach den Vorstellungen einer kleinen Puppenmutti wurde die Puppenstube von Anneliese van Elst aus Wörth hergestellt: „Mein Großvater Paul Freiberg hat die schöne Puppenstube mit Küche und Wohnzimmer eigenhändig in den Jahren 1906 bis 1909 für meine Tante gebaut“, erzählt die 77-Jährige. Damals habe der Innenarchitekt in einer Fürther Möbelfabrik gearbeitet. Die Küche ist mit reichen Intarsien versehen, die etwa 1,20 Meter große Grundfläche mit echtem Parkett ausgelegt. „Die Ausstattung der beiden Räume, besonders die kleinen Zinnteile, stammen wohl alle aus Nürnberg, der bekannten Spielzeugstadt“, sagt Anneliese van Elst. In mehreren Räumen hat Karin Eyer aus Lustadt ihre vier Puppenstuben und zwei Kaufläden aufgestellt. Sogar zwei nostalgische Bäder besitzt die 60-Jährige – sie zieren ihr eigenes Badezimmer. „Dieses Faible für Puppenstuben hat sich in den letzten sieben Jahren entwickelt“, berichtet die Lustadterin. Einige habe sie im Internet ersteigert, eine große blaue Rauchfangküche von ihrem Mann zum runden Geburtstag geschenkt bekommen. „An Puppen hatte ich zwar nie großes Interesse“, sagt Karin Eyer. „Aber ohne sie wirken die Räume leblos.“ Schon als Kind habe sie eine Puppenstube besessen, die die Eltern selbst tapeziert hatten und die nur an Weihnachten aufgestellt wurde. „Das Fest geht aber so schnell vorbei, da hat man nicht viel davon“, meint sie. Jetzt erfreue sie sich jeden Tag an ihren Sammlerstücken. Selbst schon mehrere Puppenküchen nach altem Vorbild gebaut haben Ursula und Heinz Armbrust aus Erlenbach. „Das fing 1991 an, als wir eine Ausstellung im Bruchsaler Schloss besuchten“, schreiben die Hobbybastler. „Von da an waren wir von den Puppenstuben infiziert.“ Es mache Spaß, „immer noch mehr Feinheiten“ nachzubauen. Im Advent stellt Ute Kaufmann aus Hagenbach ihren Kaufladen im Wohnzimmer auf – so wie früher. „Dieser Holzkaufladen stand immer mit frischer Ware aufgefüllt unterm Weihnachtsbaum“, erinnert sie sich. Gerne spielt sie jetzt mit der vierjährigen Emily mit dem Tante- Emma-Laden, allerdings seien viele Dinge erklärungsbedürftig. Denn in diesem Laden gibt es weder tönende Scanner-Kassen noch Plastiktüten oder Einkaufswagen. Man könnte in diesem Spielzeugladen längst aufgegebene Marken wie Overstolz-Zigaretten, Ata-Pulver zum Scheuern, Linde-Ersatzkaffee, Sil-Bleich- und Spülmittel oder nostalgisches Persil, das selbsttätige Waschmittel kaufen, das laut Werbung mit frischem Duft die Hausfrau glücklich macht. Die großen Schubladen sind mit Korinthen und Majoran, Ingwer und Safran beschriftet. In ihrer Kindheit waren Rosinen oder Mandeln eingefüllt, die dann bald leergefuttert waren, erinnert sich Ute Kaufmann und ergänzt: „Dieser Kaufladen ist schon lange in der Familie, bereits meine verstorbene Mutter und Oma haben damit gespielt, vermutlich ist er um die 100 Jahre alt.“ Eine seltene Aufnahme eines Gabentisches anno 1905 mit allerlei Spielzeug und Puppenmöbeln unter dem festlich geschmückten Tannenbaum hat „Marktplatz regional“-Mitarbeiter Ludwig Hans im Germersheimer Stadtarchiv entdeckt: Die Fotografie stammt aus dem Nachlass des Germersheimer Fotografen Friedrich Rummel (1887 bis 1967), der wie schon sein Vater lange Zeit ein Studio in der Germersheimer Sandstraße betrieb. Auch wenn der scheinbare Schnappschuss einen Eindruck davon vermittelt, wie es vor 110 Jahren in einer bürgerlichen Germersheimer Wohnstube an Weihnachten ausgesehen hat, so dürfte der Fotograf doch das Spielzeug und die abgebildeten Puppen und Puppenstuben nach seinen Vorstellungen arrangiert haben. Auch die etwas steife Mimik der in Szene gesetzten Familienmitglieder spricht eher für eine nach den Vorstellungen des Fotografen sorgfältig geplante Aufnahme als für eine wirkliche, an Heiligabend des Jahres 1905 entstandene Momentaufnahme. (naf/bp/lh) Die Serie Einmal im Monat fragen wir in der Serie „Gibt es das noch?“ nach Dingen, die vermeintlich aus dem Leben verschwunden sind. Wir bedanken uns für die zahlreichen Leserzuschriften. Leider können wir nicht alle veröffentlichen und bitten um Verständnis. Der nächste „Gibt es das noch?“-Aufruf erscheint im Januar.

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