Landau Im Krieg kleinere Brötchen gebacken

Im Jahr 1910 nimmt der Germersheimer Fotograf Friedrich Rummel in der Bergstraße dieses Bild auf. Ein Kind trägt ein großes Brot
Im Jahr 1910 nimmt der Germersheimer Fotograf Friedrich Rummel in der Bergstraße dieses Bild auf. Ein Kind trägt ein großes Brot auf dem Arm, das vermutlich bei Bäcker Otto Gehrlein gekauft worden war.

In früheren Jahrhunderten gehörte es zu den Pflichtaufgaben des Stadtrats, regelmäßig die Preise und Gewichte des wichtigen Nahrungsmittels Brot zu überwachen. Eine der ältesten bekannten Regelungen ist die „Chur Pfaltz Backordnung“, die der kurpfälzische Schultheiß Kraft Schulder von Dalheim am 19. Mai 1677 in Germersheim erlassen hatte. Entgegen der heute bekannten Vielfalt an Sorten unterschied diese Backordnung lediglich zwischen Roggenbrot und Weißbrot. Letzteres wurde damals in Form eines „Wecks“ über die Ladentheke gereicht – ein Ausdruck, der sich in der Pfälzer Mundart bis heute erhalten hat. Um den Schwankungen beim Kornpreis zu begegnen, die immer wieder Neuregelungen bei den Brotpreisen erforderlich machten, legte der kurpfälzische Schultheiß fünf unterschiedliche Gewichte für den „Batzenlaib“ fest. Diese orientierten sich an den jeweiligen Kornpreisen, so dass der Verbraucher bei einem konstanten Preis einen Brotlaib von drei Pfund erwarten konnte. War die Ernte besonders gut ausgefallen, wog der Laib schon mal bis zu neun Pfund. Das Gewicht des als „Kreuzerweck“ bezeichneten Weißbrots, das demnach einen Kreuzer kostete, war ebenfalls vom Getreidepreis abhängig und schwankte zwischen 130 und knapp 200 Gramm pro Stück. Wie sehr sich Schwankungen des Getreidepreises und der Brotgewichte im Geldbeutel der Bevölkerung auswirkten, belegt eine Beschwerde des Germersheimer Kuhhirten, der im August 1710 um eine Lohnerhöhung bat. Er trug dem Stadtrat vor, dass er „bey dem theuren brod und geringen lohn nit subsistiren [bestehen]“ könne. Von jedem Bürger, dessen Kühe er auf die Weide trieb und beaufsichtigte, erhielt der Kuhhirte zum Lohn zwei Brote. Ähnlich war es beim Schweinehirten der Gemeinde geregelt, der mit zwei „Hauß laib brod“ zu vergüten war. In Kriegs- und Notzeiten war die von Schultheiß von Dalheim 1677 festgesetzte Brotordnung nicht oder nur eingeschränkt anwendbar. So kam es, dass in immer kürzeren Abständen die Gewichte neu festgesetzt werden mussten. Im Jahr 1714 – gegen Ende des seit 1701 andauernden Spanischen Erbfolgekriegs – wog ein „Kreuzer Weck“ im Monat April noch 17 Lot, also etwa 270 Gramm. Im Mai – nachdem die Germersheimer Bäcker dem Rat vorgetragen hatten, dass das Getreide nun „täglich im Aufschlag sey“ – nur noch 13 Lot und im Dezember schließlich elf Lot. Der Preis des „Kreuzer Weck“ lag übrigens mittlerweile bei zwei Kreuzern. Man war bei Kriegszeiten und Teuerungen buchstäblich gezwungen, „kleinere Brötchen zu backen“. Ein „Brotwieger“ überwachte auch außerhalb von Notzeiten das korrekte Brotgewicht und die Einhaltung der Verordnungen seitens der Bäcker. 1701 übte Abraham Haaß dieses gemeindliche Amt aus, wie eine Eintragung in den Ratsprotokollen des Jahres 1702 zeigt. Demnach hatte man gegen den Germersheimer Bäckermeister Leonhard Seemuth eine Strafe von zwei Gulden verhängt, weil er „die weck zu leicht gebacken“ hatte. Dem Bäcker auf die Spur gekommen war der vom Stadtrat eingesetzte Brot- und Fleischschätzer, der die örtlichen Bäcker und Metzger, bei denen ebenfalls Preise und Gewichte festgeschrieben wurden, gleichermaßen zu überwachen hatte. Immer wieder kam es zu Streit und Kompetenzgerangel zwischen Stadtrat und Zunftmeistern. Als sich Ende des 18. Jahrhunderts die Französische Revolution in den Nachbarländern auswirkte, wurden auch die über Jahrhunderte bestehenden Zünfte aufgehoben. Geblieben waren allerdings Probleme bei der Versorgung der Bevölkerung in Notzeiten oder nach Missernten. So hielt Katharina Margarete Frey aus Germersheim im Jahr 1818 im Rückblick auf zurückliegende Jahre fest: „Auf die ausserordentliche Kriegslast vom 15. Jahr folgt im 1816ten eine grosse Wassersnoth, der ganze Rheinstrom ist durch das Wasser überschwemmt, so an allen Orten durch Wolkenbrüche und Schloßenschlag alles verwüstet worden, [so] das alles in eine ausserordentliche Teuerung kommen ist [..] der Laib Brod von 3 Pfund für 36 Kreuzer, der Laib Comisbrod verkauft zu 38 Kreuzer. In diesem Jahrgang 1816 sind viele Leute vor Hungersnoth und Mangel gestorben.“ Über die Lage in Neuburg im Sommer 1817 berichtete später Ferdinand Malaisé, Sohn des am Rheinschifffahrtsamt tätigen „Octroi-Einnehmers“: „Die unbemittelten Einwohner hatten die letzten Monate vor der Ernte 1817 großen Mangel an Brod zu leiden. Die Bäcker, welche noch einiges Mehl hatten, mischten es derart mit Kleie, daß das hieraus gebackene Brod in Stücke zerfiel. Gleichwohl warteten die Hungrigen vor den Backöfen, um das derartige Brot zu kaufen. Auch der Ochsenwirt, in dessen erster Etage wir wohnten, machte solches Brot. Da standen schon früh morgens die Leute in einer Reihe auf das Brot und duldeten nicht, daß ein später Ankommender sich vordrängte. Endlich wurde im Sommer (etwa Ende Juli) das Getreide reif, denn das Wetter war glücklicherweise günstig. Da wurde das Getreide kaum geerntet, gedroschen, gemahlen und daraus Brot gebacken. Die Hungersnoth des Jahres 1816/ 17 war überstanden.“

Im Jahr 1677 setzte der Germersheimer Schultheiß von Dalheim die Brotgewichte fest.
Im Jahr 1677 setzte der Germersheimer Schultheiß von Dalheim die Brotgewichte fest.
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