Lokalsport Südpfalz Wie ein Schwarm Glühwürmchen

RÜLZHEIM (thc). Die Startnummer 30 bleibt gerne länger auf der 1 der Siegertreppe sitzen. Es ist nach 23 Uhr. Noch ein Interview, noch ein Foto, Fahrerkollegen gratulieren. Kai Hliza vom Team Möbel Ehrmann genießt seinen Triumph beim Nachtkriterium in Rülzheim.

„Es hat lange gebraucht“, sagt der 28-jährige Sporttherapeut aus Karlsruhe, dem die Zuschauer auf seiner Alleinfahrt auf dem 1,1 Kilometer langen Rundkurs schon lange vor dem Rennende immer wieder applaudiert hatten. Hliza hat eine Schulter-OP hinter sich. Beim Snowboarden verletzte er sich. Drei Monate Pause. Der Sieg in Rülzheim mit 43 Punkten vor Holger Burkhardt (Team Ur-Krostitzer Giant, 20) und Marcel Fischer (Racing Students, 19) ist wieder ein echtes Pfund. Das Team Möbel Ehrmann hatte einen Plan. So ging er auf: Um 21.23 Uhr steht das A/B-Fahrerfeld im Scheinwerferlicht am Start/Ziel. „Geil“, sagt einer in Vorfreude. Hunderte Zuschauer flanieren, am Kurs sind noch einmal rund 200 Zuschauer in Hofeinfahrten und Einbuchtungen. „Jeder fährt auf eigene Rechnung und Gefahr“, liest Hans Dudenhoffer aus dem Reglement vor. Dann starten die 39 Männer in die Nacht. Es beginnt mit Prämienrunden. Pascal Ackermann vom „rad-net Rose-Team“ gewinnt bei der ersten Ausschüttung zwölf Euro, Michael Gannoplskij vom Bellheimer Team Erdinger bei der zweiten 25 Euro. Die ersten Punkte holen sich andere. Die „Ehrmänner“ Simon Nuber und Hliza sind dabei und Burkhardt. „Simon fährt die ersten Wertungen und wenn alle schon angeschlagen sind, greife ich an“, schildert Hlitza später den Plan, der aufgegangen ist. „Dass ich da alleine wegkomme, hätte ich nicht gedacht“, sagt Hliza. Das Rennen durch die Grabengassen ist anstrengend. Der weiße Vorauswagen rast mit Tempo 60 durch die Gassen. An der Hinteren Grabengasse 40 gibt der Fahrer Lichtsignal und hupt. Familie Krause feuert hier die Fahrer an, macht mit Klatschstangen Lärm, stimmt die Welle an. Dieter Vogt aus Kuhardt hat dort einen Stuhl, seit vier Jahren kommt er zu Krauses: „Ich bin ja schon 70, aber hier fühle ich mich gut aufgehoben.“ Wenn die Fahrer um die Ecke biegen, ähneln sie einem Schwarm Glühwürmchen, der schnell näherkommt. Die 17. von 55 Runden. Das Feld zerfällt in zwei Teile. Nuber gewinnt noch eine Wertung, jetzt hat er 18 Punkte. Danach gewinnt Hliza alles. Er löst sich, vier Mann verfolgen ihn, Fischer, Burkhardt, Frank Lütters (RV Spich, am Ende 17 Punkte) und Gannopolskij. „Frag mal, wie viele Runden es noch sind, sonst stehen wir da und das Rennen ist rum“, sagt einer am Rande. Die Antwort kommt über Lautsprecher des Vorausfahrzeugs. „Noch 28 Runden“. Hätte der Zuschauer ein Handy und die App „event.rad-rennen.de“, vom früheren Seriensieger Thorsten Carrier entwickelt, wäre er im Bilde. Carrier setzt das Programm in Rülzheim ein. Runden, Wertungen, wer führt, das alles wird in Echtzeit auch am Kampfrichterwagen angezeigt. Valentin Holtz vom Siegerteam, er fährt zu diesem Zeitpunkt ganz außen, haut es ausgangs einer Kurve hin. Einer Gruppe von Zuschauern, die dort steht, stockt der Atem, der Schlusswagen rast knapp vorbei und hält dann kurz an. Holtz bleibt lang liegen, sortiert seine Knochen, steht dann auf. Als die zweite Gruppe des Feldes wieder vorbeikommt, schickt er einem Fahrer einen Gruß hinterher... Hliza spult weit vor den Verfolgern die Runden herunter. „Ich wusste, die werden sich bekriegen, bei den Wertungen“, sagt er nach der Siegerehrung bei Fanfarenklängen. Der Stuttgarter Marcel Fischer bestritt vor vier Wochen in Füssen ein Nachtrennen auf Kopfsteinpflaster, in Rülzheim ist er zum ersten Mal dabei. Wie im „Blindflug“ sind ihm die ersten Runden vorgekommen. Um 23 Uhr fährt die Gemeinde die Straßenbeleuchtung wieder aufs Normale zurück. Die Scheinwerfer in den dunklen Gassen gehen aus. Jetzt erst beginnt die Nacht in Rülzheim.

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