Kultur Südpfalz Müll und Gedächtnis

Klaus Cofalka-Adami, David Krzysteczko, Britta Gemmer, Sascha Tuxhorn und Barbara Behrendt (von links) reden (über) Müll.
Klaus Cofalka-Adami, David Krzysteczko, Britta Gemmer, Sascha Tuxhorn und Barbara Behrendt (von links) reden (über) Müll.

Am Ende ist alles nur noch Müll. Wir selbst vernutzen uns, bis wir nur noch Unrat sind. Aber auch unser Leben endet, sobald es zur bloßen Erinnerung verkommt, im unnützen Schutt. Hoffnungen, Träume, Ideen enden auf dem Kehrichthaufen der Geschichte. „Abfall der Welt“ ist denn auch der Titel einer Produktion des Karlsruher Theaters, für die Thomas Köck als Auftragswerk den Text geschrieben hat. In Zusammenarbeit mit dem freien Theater „Rampe“ und der „Backsteinhaus Produktion“ aus Stuttgart, der Akademie Schloss Solitude und der Ludwigsburger Akademie für Darstellende Kunst haben die Regisseurin Marie Bues und die Choreographin Nicki Liszta das Werk nun als Uraufführung auf die von Heike Mondschein abstrakt gestaltete Bühne des „Studios“ gebracht. Viele Köche, die da am dürftigen Eintopf rühren. Autor Köck bringt alles mit allem in Verbindung: die Verschmutzung der Ozeane wie die Überflutung mit Daten, Raubbau an der Gesundheit wie biografische Geschichten, American Dream und deutsche Befindlichkeit, Terror und Umweltkatastrophen, Endzeitängste und Visionen, lyrische Delirien, philosophierenden Tiefsinn und surreales Raunen – und immer wieder: Erinnerungen. Am Ende steht unter dem Motto „Fuck Memories“ eine breit ausgewalzte, redselige Textfläche, in der freie Assoziationen ohne Punkt und Komma wuchern und aus der der zugemüllte Zuhörer sich herausklauben kann, was ihm an Pseudo-Erkenntnissen tauglich und verständlich scheint. Dass große Teile des 70-minütigen Abends in englischer Sprache stattfinden, macht die verstiegene Aufführung nicht eben durchschaubarer. Ihre Aussagen verlieren sich im Geschwurbel von Parolen, Tiraden und Hohlformeln, und auch die seltenen Momente einer schlüssigen Beschreibung gehen rasch unter im schwadronierenden Wortschwall. „All plots move trashwards“ heißt es im Text: Alle Geschichten werden zu Müll. Eine verräterische Botschaft. Vor allem aber ist diese diffuse Vorlage untauglich für das Theater. Zwar unterteilt die Regie Köcks „vielstimmigen Monolog“ in Portionen, deren Vortrag sich sieben Darsteller teilen, ohne dass daraus Dialoge oder gar dramatische Spannungen entstünden. Szenische Wirkung will die Einstudierung vielmehr durch die Beigabe von Elementen des Bewegungstheaters erzeugen. Das Ensemble besteht aus Schauspielern, Sängern und Tänzern; alle sprechen und tanzen – je nach ihren Möglichkeiten. Die aufgesetzte Choreographie verharrt in schweißtreibenden Ritualen, die teils am Boden, teils auch in hängenden Schlaufen, Seilen und Therabändern den Darstellern hohen gymnastischen Einsatz abfordern und eine Beziehung zum Text behaupten, die nicht besteht. Das Ensemble, das sich aus den beteiligten Institutionen rekrutiert, wickelt die komplizierte „Inszenierung“ dieses Nicht-Stücks zwischen Turnübungen und Sprechkunst mit suggestivem Nachdruck ab und lässt im Media-Mix erhebliche Niveau-Unterschiede erkennen. Der hauseigene Schauspieler Sascha Tuxhorn, ein herausragender Protagonist, nimmt sich in der bunten Gruppe wie strafversetzt und peinlich deplatziert aus. Klaus Cofalka-Adami als melancholischer Cowboy, der zum Schluss in Grübelpose über seine Selbstlöschung räsoniert, kann den Text nicht beglaubigen. Von der Seite spielt Beste Aydin mit einer wummernden Sound-Maschine elektronische Musik ein und trägt so zur Atmosphäre des Abends positiv bei. Sein Scheitern kann sie aber nicht verhindern. INFO Die nächsten Vorstellungen sind im Studio für heute, 8. und 25. April geplant. Karten unter Telefon 0721 933333 sowie im Internet: www.staatstheater.karlsruhe.de.

x