Kultur Südpfalz „Möchte die Leute nicht mit Problemen zuknallen“

Herr Sonntag, ich habe mir ihre Radio-Kolumne zu den neuesten Trends angehört und festgestellt: Die meisten Trends habe ich verpennt. Bin ich nicht mehr ihre Zielgruppe?

Die Trends, die ich durch den Kakao ziehe, muss man als vernünftiger Mensch nicht mitgemacht haben. Für mich ist das eine schöne Gelegenheit, einige Themen unserer modernen Gesellschaft aufzugreifen und ad absurdum zu führen. Dabei geht es auch um die Frage, warum Menschen Trends nachrennen und was das für uns bedeutet. Es geht also auch um den Hintergrund, und der ist, glaube ich, für jeden interessant. Ihre Radio-Beiträge sind immer anderthalb Minuten lang – wie wird denn daraus ein Programm? Wenn ich ein neues Programm mache, fange ich immer mit der Liedproduktion an. Das erfordert am meisten Zeit. Dann schmiede ich Ideen für Interaktionen mit dem Publikum. Das mache ich sehr gerne, denn da kann man sich als Kabarettist beweisen. Da entsteht Satire aus dem Moment und das ist immer einzigartig. Dann überlege ich, was ich als größeres Thema des Abends ausbauen kann. Die vorliegenden Radioszenen sortiere ich nach Themen und jongliere damit herum. Dann sehe ich, was sich entwickelt. Beim aktuellen Programm ist so ein Tag meines Lebens geworden. Also gibt es eine Art von rotem Faden, der die Themen zusammenhält? Genau. Im aktuellen Programm geht es damit los, dass ich um sechs Uhr aufstehe und nach dem Frühstück die Kinder in die Schule bringe. Und dann werde ich den weiteren Tag durch mit Themen konfrontiert: moderne Medien und Handys, Urlaub und Reisen, Lifestyle, Essen und so weiter, bis der Tag dann abends mit dem Besuch von Freunden ausläuft. Schreiben Sie alle Texte allein? Das ist ein kreativer Prozess, der sehr viel Spaß macht. Ich schreibe mit meinem Regisseur und mit Freunden zusammen. Ich arbeite gerne im Team, und da kann ich dann auch Tränen lachen. Das geht später auf der Bühne nicht mehr, da muss ich durchweg hoch konzentriert sein. Auf der Bühne ist es harte Arbeit? Hochleistungssport! Ich will es immer sehr lebendig haben, bin ständig in Bewegung, fahre mit dem Fahrrad über die Bühne, springe mit der Geige herum, muss meinen Text auch darstellen. Natürlich macht das Spaß, aber es ist auch Arbeit. Ich nehme auf der Bühne zwei Kilo ab. Wo kommen die ganzen Ideen her, mit denen Sie im Programm und ihren Radio-Kolumnen arbeiten? Ich habe das Glück, das ich als Kabarettist beruflich das mache, was ich auch als Privatier täglich machen würde, nämlich morgens ausführlich mehrere Zeitungen lesen. Ich schneide Artikel aus, sortiere nach Themen, recherchiere weiter ... Das mache ich jeden Morgen so zwei Stunden lang. Fernsehen kommt noch dazu. Daraus entstehen ein paar Ideen, die ich dann an die Comedy-Redaktion des Senders schicke. Die sagen, was sie nehmen wollen, und das baue ich aus. In einer Rezension habe ich gelesen, Sie hätten auf der Bühne zwei Seiten: eine leichte, comedy-hafte und eine bissige, kabarettistische. Wie sehen Sie das? Das habe ich schon immer so gemacht. Ich mache Unterhaltung mit Haltung und verbinde Comedy und Kabarett. In den 80er-Jahren wurde noch kritisiert, dass ich neben politisch-kritischen Inhalten auch Kalauer im Programm habe. Aber mich hat das nicht gestört, im Gegenteil. Zu mir kommen Leute, die den ganzen Tag gearbeitet haben. Wenn die abends bei mir sitzen, möchte ich sie nicht mit Problemen zuknallen, sondern einen unterhaltsamen Abend bieten. Ich bin Unterhalter. Aber das schließt nicht aus, dass ich eine klare Meinung habe, und natürlich bekommen das die Leute mit. Manche werden sich hinterfragt fühlen, andere vielleicht bestätigt. Aber ich gehe sicher nicht hin und predige mit erhobenem Zeigefinger, was man tun oder lassen muss. Die Leute werden doch ständig mit Informationen zugeballert und wissen nicht mehr, was sie glauben sollen. Die Menschen werden orientierungslos? Ja, ich glaube, die meisten haben keinen Kompass mehr. Früher gab es noch Parteien und auch Religion, die zumindest Richtungen gezeigt haben. Heute hat das an Bedeutung verloren. Wir sehen in Frankreich und Italien Regierungen, die nicht mehr aus Parteien entstanden sind. Und jeder kann seinen eigenen Nachrichtenkanal aufmachen und ungeprüft behaupten, was er will. Der Einzelne kann doch gar nicht mehr feststellen, was stimmt und was nicht. Da müsste jeder ständig nachfragen und recherchieren. Das können vielleicht Journalisten, aber der Einzelne kann das im Alltag nicht schaffen. Und während wir früher mit Freunden beim Hefeweizen ganze Nächte über Politik diskutiert haben, geht es heute um den besten Handyvertrag und was man als nächstes auf Netflix unbedingt sehen muss. Fühlen Sie sich dann nicht auch als Rufer in der Wüste? Ich habe mein politisches Erwachen durch meinen Gemeinschaftskundelehrer in der elften Klasse erlebt. Der hat uns Schüler dazu gebracht nachzufragen, Widersprüche zu entdecken. Wenn ich ein paar Leute dazu bringe, sich Gedanken zu machen, ist das schon was. Und dann habe ich ja noch meine „Christoph Sonntag Stiphtung“, mit der ich versuche, die Welt ein bisschen besser zu machen. Und da haben wir schon einiges bewegt. Termin Christoph Sonntag gastiert am 16. Dezember, 19 Uhr, in der Herxheimer Festhalle. Vorverkauf an den üblichen Ticketverkaufsstellen. | Interview: Gereon Hoffmann

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