Kreis Südliche Weinstraße Gerne zu Gast in „Gottes Land“

Theo Schwarzmüller bei der Vorstellung seines Buches „Hauenstein gegen Hitler“ in Hauenstein 2007. Helmut Kohl hielt eine Rede.
Theo Schwarzmüller bei der Vorstellung seines Buches »Hauenstein gegen Hitler« in Hauenstein 2007. Helmut Kohl hielt eine Rede.

Wann immer sich Theo Schwarzmüller, promovierter Historiker, auf die Spuren der pfälzischen Geschichte begab, musste er nicht lange warten, um einen Termin beim Kanzler der Einheit zu bekommen. Der 55-jährige Schwanheimer, der mit seiner Familie in Hauenstein lebt, kann sich noch gut an den 14. September 1998, einen Sonntag, erinnern, als Kohl nach Herxheim kam, um in der Habertsgasse zu Ehren seiner politischen Ziehväter Johannes und Albert Finck an deren Geburtshaus eine Gedenktafel zu enthüllen. Die Brüder Finck galten als führende Köpfe der katholischen Zentrumspartei und waren mutige Gegner der Nationalsozialisten. Albert Finck war zudem Wegbereiter der deutschen Nationalhymne. „Es war ein Auftritt mit Symbolcharakter, eine Rückkehr zu den Wurzeln kurz vor dem Ende der politischen Karriere“, sagt Schwarzmüller, der im Prozess gegen Kohls früheren Ghostwriter Heribert Schwan als Zeuge geladen war, im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Denn der Kanzler habe zu diesem Zeitpunkt geahnt, dass er zwei Wochen später bei der Bundestagswahl verlieren würde. Dennoch habe es sich der Ehrenbürger Europas nicht nehmen lassen, trotz Wahlkampfstresses und internationaler Verpflichtungen , seine Vorbilder zu ehren. Die Fincks würdigte Kohl als großartige Männer, die aus ihrem christlichen Glauben heraus, ohne jede Enge, einen deutschen Patriotismus gelebt hätten. „Ich habe beiden viel zu verdanken“, sagte Kohl. Als große Ehre empfindet es Schwarzmüller, dass der Altbundeskanzler im April 2002 in die Landauer Festhalle kam, um bei der Vorstellung seines Buchs „Albert Finck und die Nationalhymne“ die Festrede zu halten. Wenige Wochen später habe Kohl völlig überraschend in der RHEINPFALZ-Redaktion angerufen, um ihm zur Geburt seiner Zwillinge zu gratulieren. Der inzwischen freie Historiker bedauert, dass nach dem schlimmen Sturz Kohls im Jahr 2008 und den gesundheitlichen Folgeschäden die Verbindung nach und nach eingeschlafen sei. Aber es bleiben starke Erinnerungen bei dem Südwestpfälzer: „Das Verhältnis zu Kohl war sehr gut und vertrauensvoll. Er hatte ja Geschichte studiert und daher viel Verständnis für die Arbeit eines Historikers.“ Unvergessen für Schwarzmüller sind die gemeinsamen Essen, entweder wenn in Oggersheim Hilde Seeber, die Frau von Kohls Fahrer Ekki, kochte, oder im Deidesheimer Hof beziehungsweise in der Krone bei Sternekoch Karl-Emil Kuntz in Hayna, wo Kohl am liebsten ein Rumpsteak mit Zwiebeln verspeiste. „Wo auch immer wir waren, es gab immer reichlich.“ Essen war für Kohl mehr als reiner Genuss, es war auch eine Machtdemonstration des schwarzen Riesen, wie es Jan Fleischhauer in seinem wundervollen Nachruf im „Spiegel“ kürzlich aufgeschrieben hat. Wenn Gäste nicht mit seiner Essfrequenz mithalten konnten, steckte er manchmal die Gabel in den Teller des Nachbarn und fragte verschmitzt: „Schmeckt’s nicht?“ Ums Essen ging es auch, wenn der jugendliche Kohl zu Gast bei Dekan Johannes Finck war, denn dort gab es immer Wurstbrote, wie er mal in einem Interview erzählt hat. Aber das war nur eine nette Begleiterscheinung. Der Herxheimer Finck, der auch mal Pfarrer in Billigheim war, führte den Mann aus Oggersheim früh in die CDU ein, brachte ihn in seinem Pfarrhaus in Limburgerhof mit älteren Parteimitgliedern zusammen. „Er hat ihn sehr geprägt. Die Besuche bei ihm waren für Kohl die sonntägliche Demokratieschule“, erzählt Schwarzmüller. Finck war ein ungewöhnlicher Mann. Nach dem Krieg setzte er sich für die überkonfessionelle Neuordnung der Parteienlandschaft ein, ein Ziel, das Kohl später durchsetzte – etwa mit der Auflösung der konfessionell getrennten Schulen. Die Finck-Brüder waren nicht die einzigen Herxheimer, die Kohl schätzte. Auch für den kürzlich verstorbenen Altbürgermeister Elmar Weiller hegte er Sympathien, wie Schwarzmüller erzählt. Mit ihm saß er auch nach der Buchvorstellung von Schwarzmüllers Werk in der Landauer Festhalle in der Paulanerstuben am Weißquartierplatz zusammen. Ohnehin waren Herxheim wie auch Hauenstein, wo Schwarzmüller heute lebt, „Gottes Land“, konservative Bastionen für Helmut Kohl, der eine Welt vor Augen hatte, in der sich die Traditionen aufzulösen begannen. Die Südliche Weinstraße schätzte der frühere Kanzler. Einmal war er mit François Mitterrand in der Villa Ludwigshöhe, einem der Postkartenmotive der Region. Als sich die beiden die Bilder von Max Slevogt ansahen, die dort hängen, sagte der französische Staatspräsident zu Kohl: „Dieser Mann wusste das Glück festzuhalten.“ Kohl hat auch eine Verbindung nach Landau. Er hielt sich häufig im Haus Boelckestraße 4 zur Vorbereitung seiner Dissertation mit dem Titel „Die politische Entwicklung in der Pfalz und das Wiedererstehen der Parteien nach 1945“ auf. Das Haus gehörte Gustav Wolff. Der Mitgründer der CDU in der Pfalz hatte ein umfangreiches Archiv. Größere Teile der Doktorarbeit sollen in dem Haus entstanden sein, ein RHEINPFALZ-Redakteur soll das wissenschaftliche Werk Korrektur gelesen haben. Schwarzmüller lernte Kohl das erste Mal 1996 bei einer Runde mit pfälzischen Historikern im Bonner Kanzleramt kennen, 1999 besuchte er mit RHEINPFALZ-Chefredakteur Michael Garthe Kohl in seinem Haus, um für ihr Buch „Die Pfalz im 20. Jahrhundert“ zu recherchieren. Nach diesem Treffen entwickelte sich eine enge Beziehung. „Er war nie von oben herab, sondern tolerant. Das hat mir imponiert“, sagt Schwarzmüller. Er wird heute beim Requiem im Speyerer Dom dabei sein.

Helmut Kohl war gerne im Hotel Krone in Hayna zu Gast. Er hinterließ Sternekoch Karl-Emil Kuntz mal eine persönliche Widmung auf
Helmut Kohl war gerne im Hotel Krone in Hayna zu Gast. Er hinterließ Sternekoch Karl-Emil Kuntz mal eine persönliche Widmung auf einem Foto, das heute im Restaurant hängt.
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