Kultur Südpfalz Die Gorillas schauen zurück

Marcus Braun
Marcus Braun

In der Landeskinder-Reihe im Künstlerhaus Edenkoben stellt Marcus Braun am Sonntag um 11 Uhr seinen neuen Roman „Der letzte Buddha“ vor. Der Polit-Thriller beruht auf der wahren Geschichte des verschwundenen Panchen Lama und führt mitten ins Herz des tibetischen Buddhismus. Neben vier weiteren, in renommierten Verlagen erschienenen Romanen hat der 1971 in Bullay an der Mosel geborene und schon lange in Berlin lebende Autor auch Theaterstücke geschrieben. „Bilder von Männern und Frauen“ wurde im Nationaltheater Mannheim uraufgeführt. Sie sind als Schriftsteller bekannt. Im Künstlerhaus Edenkoben stellen Sie Ihren letzten Roman vor. Aber Sie sind auch Maler, wie das Publikum feststellen wird. Wie kommt man vom Schreiben zum Malen? Das Malen war eigentlich von Anfang an da, also seit ich mit 16 oder 17 mit einem Freund zusammen begann zu schreiben und zu malen. Damals begeisterten wir uns für den Surrealismus, und da gab es ja keine Trennung der Künste. Gemalt haben wir damals aber eher Informel oder auch, wie wir uns eingebildet haben, in der Nachfolge von Cezanne und Van Gogh, wie man eben malt, wenn man anfängt. Es folgte eine kleine Ausstellung in der Stadtbibliothek. Ich habe damals sogar ein Bild verkauft, es wurde auch abgeholt, ist aber nie bezahlt worden. Eigentlich ein guter Start. Mit 20 hat sich dann gezeigt, dass ich Romane schreiben muss, beides, das war mir schnell klar, geht nicht gleichzeitig .... Dann folgten gut 25 Jahre ohne Malerei. Was ist so faszinierend am Porträtmalen? Und worin besteht der Unterschied zum schriftlichen Porträt eines Menschen, so, wie es sich immer wieder in Ihren Romanen zeigt? Ich bin ja niemand, der in seinen Roman großartig das Aussehen seiner Figuren beschreibt. Sie entstehen mehr aus allem, was passiert im Kopf des Lesers. Bei der Malerei geht es um etwas anderes, um Konkretion, wie Sepp Herberger gesagt hat: „Das Runde muss ins Eckige“, also das Volumen muss in die Fläche. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach ist das Porträt so etwas wie der Kern der Malerei, die Erscheinung des Lebendigen, konzentriert in einem Gesicht, das die Welt anschaut, abgebildet von einem Geist, der das Gesicht schaut. Als Entspannung vom Schreiben würde ich Ihre Arbeiten nicht bezeichnen. Sie sind alle sehr ernst, nicht spielerisch oder gar leicht gemeint. Ihre Frauenporträts vor allem. Die jungen Frauen und Mädchen auf Ihren Bildern scheinen mir sehr sensibel, sehr verletzlich. Geben Frauen mehr preis als Männer? Und haben Sie als Maler den Anspruch, ihnen so nah wie möglich zu kommen? Nein, um Entspannung geht es mir in der Kunst, glaube ich, gar nicht. Eine ironische Malerei ist zwar vorstellbar, aber das würde ich mir nicht gerne anschauen. Die Frauen auf meinen Bildern scheinen vielleicht verletzlich, für mich sind sie in erster Linie stark, so stark, dass ich sie malen muss. Ich versuche, ihnen so nah wie möglich zu kommen, aber nur um mir selbst und dem Betrachter ein Rätsel einzufangen. Und was ist mit den Männern? Männer interessieren mich nicht in dem Maße. Sie sind meistens etwas einfacher strukturiert, nicht, was die Gesichtszüge angeht, da verhält es sich eher andersherum, sie wären also eigentlich leichter zu malen, nur: ohne Leidenschaft keine Malerei. Das Erstaunlichste an der Ausstellung im Künstlerhaus dürften Ihre Gorilla-Porträts sein, gemalt in einer diffizilen, aber ungemein lebendig anmutenden Schwarz-Weiß-Technik. Wie sind Sie auf die Idee gekommen? Hatten Sie genug von den Menschen? Nein, im Gegenteil, ich mache da keinen Unterschied. Die Existenz dieser Wesen ist zauberhaft, für mich sind das Menschen oder die Menschen Gorillas. Die Tiere sind überhaupt ein Schlüssel zum Menschenbild. Meine Tochter ist acht Monate alt, sie freut sich über nichts mehr als über den Blick der Katze, also, wenn die Katze sie anschaut. Auf diese Idee ist sie von selbst gekommen. Das Tier ist vielleicht das ursprüngliche Gegenüber, das haben wir nur vergessen. Die ersten Künstlerinnen und Künstler haben vermutlich Tiere gemalt. Was bedeutet das konkret für unser Kunstverständnis? Irgendwie wird einem in der Schule oder in unserer Kultur die Vorstellung vermittelt, Kunst sei etwas, das zum Leben dazukommt – nicht notwendig, aber schön, etwas, das die Griechen hervorbringen, nachdem die Sache mit der Staatsform geklärt ist. Jedoch, die Malerei ist viel älter als der Ackerbau oder der Krieg. Aber das klingt jetzt schon alles zu sehr nach Konzept, ich bin kein Freund von Konzeptkunst. Man braucht keine Konzepte, man muss nur hinschauen. Die Gorillas schauen garantiert zurück. | Interview: Gabriele WeingartnerDOPPELTERZEILENUMBRUCH

„Modestia VII“ von Marcus Braun.
»Modestia VII« von Marcus Braun.
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