Kreis Südwestpfalz „Heischen heißt fordern“

Am Sommertag laufen die jungen Leute durch Frankenstein und bitten um Spenden, vor dem Bürgerhaus kämpfen dann Sommer und der Wi
Am Sommertag laufen die jungen Leute durch Frankenstein und bitten um Spenden, vor dem Bürgerhaus kämpfen dann Sommer und der Winter symbolisch gegeneinander.

Am Sonntag ist es wieder so weit: In Frankenstein findet das Sommertagsfest statt, der westlichste Ausleger des sogenannten Heischebrauches. Gaby Böhmer sprach darüber mit dem in Frankenstein lebenden und an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz tätigen Kulturwissenschaftler Thomas Schneider.

Woher kommt der Begriff Heischebrauch?

Heischen heißt fordern. Der Heischebrauch findet an einem Termin statt, wo es für bestimmte Gruppen gestattet ist, etwas zu fordern. In diesem Fall ist es am Sommertag, an Laetare, dem vierten Fastensonntag, also gekoppelt an den Kalender des Kirchenjahres. Es gibt natürlich auch andere Heischetermine. Hierzulande ist in den letzten 30 Jahren Halloween dazugekommen. „Trick or Treat“ ist ein klassischer Heischebrauch. Seit wann gibt es den Heischebrauch in Frankenstein? Das ist ein bisschen schwer zu datieren. Wir können ganz sicher davon ausgehen, dass er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorhanden war, möglicherweise auch früher. Die frühen Brauchbelege kennen wir aus Verboten. Doch wie es konkret ablief, wissen wir nicht. Vor der Aufklärung hat niemand Bräuche aufgezeichnet. Heutzutage erheischen die jungen Leute Süßigkeiten und Geld. Was gab es früher? Früher war die Agrargesellschaft weitestgehend bargeldlos. Da gab es Eier und Speck oder Spirituosen. Warum wurden die Heischebräuche verboten? In der Aufklärung und in der Frühromantik gerieten die Heischebräuche in Verruf. Brauchtumselemente wie Betteln und Saufen passten im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht in das Bild des Bürgertums von schönen Bräuchen. Wie kam es, dass der Brauch wiederbelebt wurde? Es gab in den 1890er Jahren von Heidelberg ausgehend eine Sommertagsreform. Der Brauch wurde umformiert zu einem bürgerlichen Brauch. Über eine definierte Sozialgruppe, nämlich dem Konfirmandenjahrgang, wurden der Kirche und der Schule Einflussmöglichkeiten eröffnet. Spielen heute Kategorien wie katholisch oder evangelisch, männlich oder weiblich noch eine Rolle bei der Auswahl der Heischenden? Bis in die 60er Jahre hinein war der Sommertag ein Brauch des männlichen Konfirmandenjahrganges. In den frühen 1970er Jahren durften erstmalig Mädchen mitgehen. Das waren die Auswirkungen der 68er-Bewegung auf dem Dorfe. Ein Emanzipationsschritt. Heute spielt nicht nur die Konfession, sondern auch die Religion keine Rolle mehr. An dieser Stelle kann man sehr schön die inkludierende Funktion von Bräuchen erkennen. Von der Altersklasse her sind es immer noch die 14- oder 15-Jährigen. Wer organisiert den Heischetag in Frankenstein? Das ist in erster Linie Sache der Ortsgemeinde. Das Geschehen am Bürgerhaus wird von örtlichen Vereinen bespielt.

x