Kreis Südwestpfalz „Gier nach Geld hat Gehirne regelrecht zerfressen“

„Heute ist ein großer Tag. Die Menschen in der Region freuen sich“, sagte der evangelische Pfarrer Tilo Brach aus Winterbach am Samstagvormittag beim ökumenischen Gottesdienst in der Battweilerer Kirche. Anlass war die offizielle Einweihung des Gesundheits- und Pflegezentrums. Die Festrede hielt Heiner Geißler, der politische Urvater der rheinland-pfälzischen Sozialstationen.

Der Alt-Bundesminister und Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler kann fesselnd reden und dabei auch etwas sagen. Dies bewies er wieder eindrucksvoll bei der Festrede zur Einweihung des neuen Gebäudes der ökumenischen Sozialstation Thaleischweiler-Fröschen/Zweibrücken-Land. Die rund 200 geladenen Gäste erlebten den Vorderpfälzer in gewohnter Manier: plakativ, polemisch, provokant. „Auf der Erde gibt es Geld wie Heu, es ist nur bei den falschen Leuten“, wiederholte der ehemalige Sozialminister des Landes Rheinland-Pfalz einen seiner bekannten Sätze. Wo soll das Geld für die Pflege herkommen? Eine unsinnige Frage, meinte Geißler. Gigantische Geldmengen würden täglich umhergeschoben. Zur Abwehr des seiner Meinung nach bestehenden Pflegenotstands brachte er die Finanztransaktionssteuer in Erinnerung. Die Finanzkrise vor sechs Jahren habe gezeigt, dass die Gier nach Geld Gehirne regelrecht zerfressen hat. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird es wieder schief gehen“, mahnte das Attac-Mitglied. Diese Gruppe steht der Globalisierung, insbesondere der Allmacht der Finanzmacht, sehr kritisch gegenüber. Der prominente Querdenker forderte eine andere Politik. Stichwort: Ökosoziale Marktwirtschaft. Das heißt: In die Wirtschaft muss wieder soziale und ökologische Verantwortung Einzug halten. Die Politik brauche ethische Grundlagen. Es müsse mehr Geld für soziale Gerechtigkeit und sozialen Frieden ausgegeben werden. Dann brauche man weniger Angst vor Krieg zu haben. Geißler: „Eine friedliche Welt hängt von uns ab.“ Dazu gehöre auch, dass man sich politisch engagiert. Die Menschenwürde sei im Grundgesetz festgeschrieben. Aber dennoch mache sich auch im Gesundheitswesen eine neue Diskriminierung des Menschen breit. Arme, Kranke und Alte seien die Opfer. „Der Mensch ist zum Kostenfaktor geworden“, kritisierte der 84-Jährige. „Er gilt um so mehr, je weniger er kostet.“ Selbst bei der Diakonie oder Caritas sei er zum „Kunden“ wie im Supermarkt geworden. Und in den Krankenhäusern müsse der Arzt viel Zeit darauf verwenden, die richtige Fallpauschale herauszufinden. Für die Betriebswirte dort, die von Medizin keine Ahnung hätten. „Nächstenliebe ist Pflicht“, gab der Katholik Geißler als Parole heraus. „Das Evangelium enthält eine unglaubliche politische Botschaft.“ Er erinnerte an das Geschichte vom barmherzigen Samariter. Es sei dort nicht gemeint, dass oben jemand sitzt und alles regelt. Wenn jemand in Not ist, müsse man ihm helfen – und ihn nicht zusätzlich belasten. „Es hängt damit zusammen, dass der Mensch ein Sozialwesen ist.“ Was verbindet Geißler direkt mit dem Pflegezentrum in Battweiler? „Hier haben wir uns erstmals getroffen, um unsere Strategie für die Verhandlungen mit den Krankenkassen zu besprechen“, antwortete er auf die Frage der RHEINPFALZ. In seiner Funktion als Vorsitzender der Sozialstation Edenkoben-Herxheim-Offenbach verhandelte er zusammen mit Thaleischweiler-Fröschen, Rockenhausen und Ludwigshafen selbst mit den Kassen. „Das Ergebnis, das die Pflegegesellschaft erzielte, war weit jenseits von Gut und Böse“, erklärte der Sozialpolitiker. „Das konnten wir nicht akzeptieren.“ Man habe sich gut gegen die Unterfinanzierung gewehrt, damit die Betreuer auch „so pflegen können, wie sie es gelernt haben“. Am Rande des Gesprächs sagte der Altmeister der Politik noch: „Über Battweiler habe ich auch das Mühlental kennengelernt.“ Peter Haase, Geschäftsführer der 1996 entstandenen Sozialstation mit über 50 Mitarbeitern: „Die erstmalig geführten Einzelverhandlungen haben die Situation für die älteren und pflegebedürftigen Menschen deutlich verbessert. Darauf können wir stolz sein.“ Das Betreuungsgebiet reiche von Bechhofen im Norden, gehe bis Petersberg im Osten und erstrecke sich bis Hornbach im Süden. „Mit 20 Fahrzeugen legen wir jährlich 400 000 bis 450 000 Kilometer zurück. Wir fahren bis zur letzten Gemeinde und bis zum letzten Hof - anders als private Pflegedienste“, erzählte Haase. In seiner kurzen Rede in der Dorfkirche wies Haase darauf hin, dass ein Viertel der Arbeitszeit seiner Mitarbeiter durch die geforderten Dokumentationen verloren geht. „Wir sollten wieder den Menschen in den Vordergrund und die Formalitäten nach hinten schieben“, forderte er. Dies sei notwendig, um dem Slogan „Mehr als Hilfe, immer für Sie da“ gerecht zu werden. In allen Grußworten dankten die Redner den Professionellen und Ehrenamtlichen für ihre wertvolle Arbeit. Zusammen mit seinem katholischen Pfarrer-Kollegen Manfred Leiner aus Thaleischweiler-Fröschen weihte Brach am Ende des offiziellen Teils das neue Ambulante-Hilfe-Zentrum ein. Anwesend war auch Landesdiakoniepfarrer Albrecht Bär, der in der Predigt des Gottesdienstes eine Parallele zog zwischen dem Wirken der Heiligen Elisabeth von Thüringen und der Sozialstation.

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