Kreis Südliche Weinstraße Schneller Seitenwechsel

Ein einziger Schreibtisch ist für die vielen Aktivitäten von Barbara Schäfer-Wiegand zu wenig. Deshalb hat sie zwei. Einen antiken, der zum Schreiben von Briefen mit Tinte und Feder auf Büttenpapier einlädt und einen modernen, auf dem alle Gerätschaften stehen, die heute für die Kommunikation gebraucht werden. Die beiden Schreibtische stehen sich gegenüber, der Drehstuhl ermöglicht ihrer Besitzerin einen schnellen Wechsel. Sie springt vom einen zum anderen wie der Ball beim Tischtennis. Im März 1995 ist Barbara Schäfer-Wiegand mit ihrem Mann Bernhard Wiegand ins alte Pfarrhaus nach Oberotterbach gezogen. Und der Sekretär aus dem 18. Jahrhundert kam aus ihrem ehemaligen Zuhause in Karlsruhe mit. „Den habe ich in den 80er Jahren erworben“, sagt die Sozialministerin a.D. (CDU) von Baden-Württemberg. Sie ist eine Frau, die in ihrem Leben an vielen Schreibtischen saß. Ihr antiker hat drei große Schubladen, auf der Schreibfläche einen Aufsatz mit vielen Fächern. Auch ein Geheimfach. „Aber ich benutze es nicht“, sagt die Besitzerin. Den weiß gestrichenen Schreibtisch aus massivem Holz hat nach ihrem Einzug der örtliche Schreiner angefertigt. Eine große Schublade für Hängeordner und ein Aufsatz für den Drucker mussten sein. Das wichtigste Arbeitsgerät von Schäfer-Wiegand ist der Computer, an dem sie viele Stunden verbringt. Wegen vieler Termine außerhalb des Hauses sitzt sie auch an Samstagen und Sonntagen am Schreibtisch, sagt sie. „Eigentlich müsste ich täglich arbeiten, mit der Ablage komme ich nie wirklich nach, aber ich finde immer alles, was ich brauche“, sagt die Erste Vorsitzende der bundesweit tätigen Stiftung „Hänsel und Gretel“, die sie 1997 mit Gleichgesinnten gegründet hat. Präventive Maßnahmen zu ergreifen, bevor Kinder Gewaltsituationen ausgesetzt sind, war das Ziel. Inzwischen ist das Netzwerk „Kein Täter werden“ dazu gekommen. Anlaufstellen in einigen Bundesländern sollen Pädophilen helfen, Grenzen einzuhalten. „Das kam im Laufe meiner Arbeit für ,Hänsel und Gretel’ dazu, dass ich mich auch mit der anderen Seite beschäftigt habe“, so die Vorsitzende, die an ihrem Schreibtisch die bundesweiten Termine abstimmt, Grundsatzpapiere schreibt oder Sitzungen vorbereitet. „Im Ministerium hatte ich fünf Sekretärinnen, jetzt bin ich ein Ein-Frau-Betrieb“, sagt sie und muss schmunzeln. Angefangen hat ihre berufliche Karriere ohne Schreibtisch, da war sie noch im Gymnasium in Westfalen, 1954 hat sie das Abitur gemacht. Ungewöhnlich für eine junge Frau in dieser Zeit, auch für eine Familie, in der die Mutter ihre drei Töchter alleine durchbringen musste, der Vater kam aus dem Krieg nicht zurück. „Sie hat uns beigebracht, das Beste aus uns zu machen“, sagt ihre Tochter. Auch nach dem Umzug nach Oberotterbach bleiben ihre Schreibtische nicht nur „ihrer“ Stiftung vorbehalten. 1997 gründet sie in Frankreich mit anderen Frauen ein grenzüberschreitendes Netzwerk: Femmes-Pamina-Frauen. Familienleben in Frankreich und Deutschland oder der Vergleich der Verfassungen der beiden Länder sind unter anderem Themen der jährlichen Seminare. 2005 wird sie Erste Vorsitzende des christlichen Krankenpflegevereines Oberotterbach mit rund 400 Mitgliedern aus vier Gemeinden, 2009 ist sie Mitbegründerin der Nachbarschaftshilfe für diese Orte. An ihrem Schreibtisch werden Ideen entwickelt, um junge Mitglieder für den Krankenpflegeverein zu gewinnen, sie lädt zu Sitzungen oder Mitgliederversammlungen ein. „Ich habe nie das Gefühl, dass es mir über den Kopf wächst“, sagt Barbara Schäfer-Wiegand. Zu der sicher auch ihr Mann ein Stück beiträgt. „Zu einem eigenen Schreibtisch gehört ein toleranter Mann“, sagt sie.

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