Herxheim Planspiel zur DDR: Geschichtsunterricht mal anders

Punktuell wurde in die Geschichte der DDR eingetaucht.
Punktuell wurde in die Geschichte der DDR eingetaucht.

Bei einem Projekttag des Pamina-Gymnasiums konnten die Schüler den Alltag der ehemaligen DDR selbst erleben. Bei dem Planspiel übernahmen sie unterschiedliche Rollen einer Diktatur, was sie zum Teil emotional mitnahm.

Musikgruppen müssen ihre Texte vor dem Auftritt der Zensurbehörde vorlegen. Abiturienten können sich ihr Studienfach nicht selbst auswählen. Beruflicher Aufstieg ohne Parteimitgliedschaft ist unmöglich. Was für Schüler heute unvorstellbar ist, war in der ehemaligen DDR bittere Realität. „Weil die Geschichte des ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaates im Unterricht oft hinten runterfällt“, bot Steffen Antes, Geschichtslehrer am Pamina, seinen Schülern einen Projekttag an, an dem sie tief in den Alltag der DDR eintauchen konnten. Dazu holte er sich ein Expertenteam ins Haus, das in Schulen Planspiele zur „Demokratieerziehung und Extremismusprävention“ durchführt: Uwe Hillmer, Historiker und Entwickler des Planspiels „Alltag junger Menschen in der ehemaligen DDR“, seine Frau Birgit sowie Hanjost Dörken.

Es werden Strategien entwickelt

Das Planspiel, in dem reales Leben simuliert wird, gebe den Schülern „die punktuelle Möglichkeit, Diktatur emotional zu erleben“, erklärt Hillmer. Dabei übernehmen sie unterschiedliche Rollen und entwickeln Strategien, um ihre Ziele zu erreichen. Zuerst wurden die Oberstufen-Schüler, alle 18 Jahre alt, in drei Gruppen eingeteilt. So wurden sie Mitglieder einer Musikgruppe, der Staatssicherheitsbehörde Stasi und der Sozialistischen Einheitspartei SED. Die Experten versorgten sie mit jeder Menge Informationen zu dem Personenkreis, den sie spielerisch darstellten.

Marc Messemer, „Gitarrist“ der Musikgruppe, wollte eigentlich rebellieren und seinen Protest künstlerisch zum Ausdruck bringen. Doch schnell erkannte er, dass er sich systemkonform verhalten muss, ansonsten droht Auftrittsverbot. Seine Überlebensstrategie: Texte zu schreiben, die unterschwellig Kritik üben und viel Interpretation ermöglichen. In ein Musikerleben einzutauchen, das ständig der Zensur ausgeliefert war, habe ihn emotional stark mitgerissen, sagt Marc und zieht daraus den Schluss: „Die Kunst muss frei sein, ansonsten gibt es keine Demokratie.“

Die Musikgruppe geht als Verliererin hervor

Elias Fosselmann schlüpfte in die Rolle eines Stasi-Mitarbeiters und dabei habe er sich nicht wohlgefühlt, gibt er zu. In dieser Gruppe wurden Verhörmethoden eingeübt, die Menschen zwar nicht körperlich misshandelten, aber psychisch zerstörten. Obwohl er sich innerlich dagegen gewehrt habe, sei er dennoch konsequent in seiner Rolle geblieben, wundert er sich über sich selbst.

Julia Schönitz spielte die Rolle einer Partei-Funktionärin der SED und weiß jetzt, wie wichtig ein Mehrparteiensystem in einem demokratischen Staat ist. Wie bitter muss es für junge Menschen gewesen sein, wenn Studienplätze nicht nach Fähigkeiten oder Neigungen, sondern nach Parteimitgliedschaft vergeben wurden. Die Vorstellung, dass SED-Leute darüber entschieden, wer beruflich auf- oder absteigt, findet Julia heute noch entsetzlich. In der Interaktivphase des Spiels trafen dann die Gruppen aufeinander und kämpften darum, möglichst viele ihrer Ziele zu erreichen. Wie im real existierenden Sozialismus der DDR arbeiteten die Stasi- und die SED-Gruppe eng zusammen und die Musikgruppe ging als Verliererin aus dem Spiel hervor.

„Froh in einer Demokratie zu leben“

Die letzte Phase, die Reflexion, ist noch lange nicht abgeschlossen. Lena Rieder gab aber schon eine Antwort auf die Frage: „Wie ist es, in einer Diktatur zu leben?“ Ein Leben in Sicherheit gibt es nur, wenn man sich an die herrschende Ideologie anpasse, was wiederum die Diktatur stützt. Der Einzelne könne nichts am System ändern, dazu brauche es eine Massenbewegung, wie in der DDR geschehen. Ihr Fazit: „Wir sind froh, dass es bei uns Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit und freie Berufswahl gibt. Wir sind froh, in einer Demokratie zu leben.“ Positiv fällt auch das Fazit von Steffen Antes aus. Er ist stolz auf seine „hochmotivierten und leistungsbereiten Schüler. Die Ergebnisse, die in diesem engagierten Projekt erzielt wurden, wären im normalen Geschichtsunterricht, nicht möglich gewesen.“

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